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Abschied von Gudrun Heute-Bluhm an der Spitze des Städtetages

Gudrun Heute-Bluhm geht nach acht Jahren an der Spitze des Städtetags Baden-Württemberg in den Ruhestand.
Zur feierlichen Verabschiedung im Kunstmuseum Stuttgart waren Vertreterinnen und Vertreter der Landespolitik - Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Kommunalminister Thomas Strobl und weitere Ministerinnen und Minister - ebenso gekommen wie mehr als 100 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem ganzen Land und viele Partnerinnen und Partner anderer Verbände, aus Kirchen und Religionsgemeinschaften und und und...

Städtetagspräsident Peter Kurz hielt die Laudatio auf ihre achtjährige Amtszeit, die mehr von Krisenjahren als von Normalität geprägt und entsprechend herausfordernd war. Dennoch konnte sie bei vielen anderen wichtigen Themen Akzente setzen und Fortschritt anstoßen: digitales Rathaus, Klimaschutz, Bildung und vieles mehr.

Sie zog eine kleine Bilanz über die Veränderungen, die sich in dieser Zeit ergeben haben.

I Was hat sich im Städtetag geändert?
Die Arbeit in der Geschäftsstelle des Städtetags ist 2022 – nicht zuletzt durch die Pandemie – nicht mehr die Arbeit, wie sie 2014 stattfand. Schon vor Corona, etwa ab 2017, hat es der Städtetag seiner Mitarbeiterschaft ermöglicht, von unterwegs zu arbeiten – mobil und agil. Dieser technische Vorsprung hat es zu Beginn der Pandemie ermöglicht, dass fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von heute auf morgen ins Homeoffice wechseln konnten.
 
Die Geschäftsstelle des Städtetags hat sich in den vergangenen acht Jahren vergrößert – sowohl räumlich als auch personell. Das Arbeiten mit drittmittelfinanzierten Projekten hat zugenommen. 7,5 Vollzeitstellen sind aktuell drittmittelfinanziert und ermöglichen die vertiefte Bearbeitung von Themen wie bürgerschaftliches Engagement, Quartiersmanagement, Unterbringung von Geflüchteten, Digitalakademie und E-Government sowie Entwicklungszusammenarbeit.
 
Die Vergrößerung der Geschäftsstelle um Sitzungsräume, die es vorher nicht gab, hat neue Möglichkeiten geschaffen. Gleichzeitig hat ein Umbau die Möglichkeiten der Teamarbeit gestärkt. Die Geschäftsstelle wurde damit, auch dank der zentralen Lage, schnell zu einem Begegnungszentrum, in dem sich die eigenen Gremien und auch externe Gäste gerne treffen. Die Arbeit des Städtetags lebt von der persönlichen Begegnung. Dennoch hat die Pandemie allen einen Crashkurs in Sachen Videokonferenzen gebracht, ein Format, das vorher nicht stattfand. „Für stark themenorientierten Austausch, bei dem es nicht um Vernetzung oder Begegnung geht, ist die Videokonferenz im Vorteil. Das haben wir schnell gemerkt und sie deshalb auch für den schnellen Austausch seit 2020 durchgehend praktiziert“, so Gudrun Heute-Bluhm. Hybride Sitzungen sind die Ausnahme.
 
 
II Was hat sich für den Städtetag geändert?
Auch für die Arbeit des Städtetags nach außen hat die Corona-Pandemie die größten Veränderungen bewirkt – durchaus positiv: Die instabile Gesamtsituation, geprägt von schnellen Veränderungen und Entscheidungen, erforderte eine enge Abstimmung zwischen Land und Kommunen, die die Regelungen vor Ort umsetzen mussten. Heute-Bluhm: „Regelmäßige, kurze und hochkarätig besetzte Jour fixe-Runden mit den Amtsspitzen der betreffenden Ministerien machten es möglich, die Bedürfnisse und Angebote der Städte und Gemeinden in kürzester Zeit nach ganz oben zu spiegeln und Lösungen abzustimmen. Dadurch ist eine beachtliche Verbesserung der Governance zwischen Land und Kommunen entstanden.“
 
Vor Corona waren die Abstimmungsformate themenbezogen und stark fokussiert auf Finanzen und Gesetzgebungsverfahren – das war eingespielt, etwa in der Gemeinsamen Finanzkommission oder im Rahmen der formellen Anhörung nach der Landesverfassung und der dort festgelegten Fristen.
 
Schon in der Finanzkrise haben sich die Themen geändert: Die Arbeit vor Ort wurde wichtiger, der Städtetag wurde Mittler zwischen Land und Kommunen. Das fand in Corona-Zeiten eine beinahe schon extreme Fortsetzung und eine beachtliche Beschleunigung. Jetzt in der Energiekrise überlagern sich hochaktuelle Entscheidungsprozesse und langfristiger und grundsätzlicher Regelungsbedarf. Der Städtetag will mitwirken an langfristigen, guten Regelungen, um Energiekrise und Klimaschutz zu verknüpfen. Gleichzeitig werden die Kommunen weiterhin die Troubleshooter vor Ort bleiben.
 
„Good Governance bietet Chancen“, erklärt Gudrun Heute-Bluhm: „Good Governance kann dazu beitragen, ein nachvollziehbares Regelungsziel zu erreichen, gut miteinander zu kommunizieren und praxisnahe Regeln für die Akteure vor Ort zu erreichen.“
 
 
III Was hat sich für die Städte in Baden-Württemberg geändert?
Die Städte beschäftigen sich mit immer mehr Themen, die ins Herz der „hohen Politik“ treffen und deren Realisierungschancen maßgeblich beeinflussen.
 
Die Digitalisierung ist nach wie vor ein Thema und sie wird es noch stärker werden: „Wo steht das digitale Rathaus? ist eine Frage, die mich schon in meiner Zeit als Oberbürgermeisterin intensiv beschäftigt hat, nicht zuletzt auch im Austausch mit dem Deutschen Städtetag“, erläutert Gudrun Heute-Bluhm. „Der digitale Service muss noch besser werden, darf aber die Möglichkeit, selbst zum Rathaus zu gehen, nicht ersetzen. Die Rathäuser müssen sich komplett digital zugänglich machen und im digitalen Prozess arbeiten. Sie können aber nicht vollständig ersetzt werden durch künstliche Intelligenz.“
 
Durch Corona hat sich auch die Rolle der Städte bei der Gesundheitsvorsorge geändert. Sie nehmen hier eine aktivere, gestaltende Rolle ein.
 
Was früher Umweltschutz genannt wurde, firmiert inzwischen unter kommunaler Energiepolitik und versteht sich auch als umfassender Ansatz der Klimaschutzpolitik. Ein Drittel des CO2 -Ausstoßes ist auf den Wärmebereich zurückzuführen. Zentraler Ansatz für eine Reduktion ist die Umsetzung der in BW vorbildlichen, zum Teil verpflichtenden Wärmeplanung. Ein zweites Drittel steckt in der Verkehrswende und auch die steckt fest, wenn die Kommunen nicht zielgerichtet unterstützt werden. Der Städtetag hat mehrfach das Anliegen an die Landesregierung herangetragen, in einen konsequenten Dialog über die Umsetzung und Finanzierung der kommunalen Klimawende einzutreten. Ganz konkret warten wir auf unsere Vorschläge für einen Klimaschutzfonds.
 
Wesentliche Themen wurden für die Kommunen in den vergangenen acht Jahren auch Migration und Integration. „Die Verstetigung der Integrationsmittel im Haushalt ist eine Anerkennung dafür, dass die Integration der Geflüchteten nicht ‚nebenbei‘ erledigt werden kann.“
 
Bildung ist von jeher ein zentrales Thema der Landespolitik und damit der Städte. Ihre Rolle als Schulträger hat sich grundlegend gewandelt und der Städtetag hat dies wie kein anderer Akteur im Land aktiv und gestaltend begleitet.
So hatte er ein Kooperationskonzept für die Digitalisierung der Schulen gefordert, lange bevor Corona dieser endlich einen Schub verlieh.
 
„Mit dem Kultusministerium diskutieren wir seit langem über die Neuordnung der Schulträgerschaft im 21. Jahrhundert. Inhaltlich gibt es wenig Differenzen, wohl aber keine konkreten Zusagen für die Finanzierung. Seit zwei Jahren ist dies eine gemeinsame Forderung aller drei Kommunalen Landesverbände in der Gemeinsamen Finanzkommission. Teil dieses Konzepts ist auch die Kooperative Ganztagsschule.“
 
Ab dem 1. Januar 2026 gilt bundesweit ein Anspruch auf Ganztagesbetreuung in der Grundschule. Demgegenüber steht in Baden-Württemberg eine gewachsene Tradition von Halbtagsschulen mit kommunaler Nachmittagsbetreuung, die bedarfsgerecht ausgestaltet wird. Im Hinblick darauf, dass in Baden-Württemberg nur wenige „echte“ Ganztagsschulen existieren und diese überdies früher als so genannte Brennpunktschulen (dis-)qualifiziert wurden, konnte sich keine Tradition des rhythmisierten Ganztagsunterrichts an den Schulen durchsetzen, wie sie als das pädagogisch bessere Modell anerkannt ist. Auch aus der Lehrerschaft heraus wird indessen an der Basis häufig an dem gewachsenen Modell festgehalten. Die Einrichtung einer gesetzlichen Ganztagsschule bedarf überdies der Zustimmung der Schulkonferenz und kann deswegen nicht gegen den Willen der jeweils aktuellen Lehrerschaft durchgesetzt werden. Bundesweit hingegen ist der Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Grunde nach nicht so schwer zu erfüllen, sie ist allenfalls eine Frage der Verfügbarkeit zusätzlicher Mittel. Demgegenüber dürften in Baden-Württemberg derzeit auch die Fachkräfte fehlen, um eine konsequente Umsetzung eines hauptamtlichen Betreuungsmodells durchzusetzen.
 
Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung ist gesetzlich nominiert und als Anspruch auf eine Förderung für einen Zeitraum von acht Stunden an fünf Tagen durchgängiger Betreuung auch in den Ferien ausgestaltet, abgesehen von vier Schließwochen.
 
Kooperationen mit Sportvereinen, Musikschulen und anderen externen Partnern bei Betreuungsangeboten an Schulen sind sowohl aus Sicht des Bundes als auch des Landes und der Kommunen ein wichtiger Baustein für die Erfüllung dieses Rechtsanspruchs. Bereits jetzt sind solche Partner vielfach an den Schulen tätig, auf Vermittlung bzw. im Auftrag der Kommunen.
 
Mit acht Institutionen und Verbänden hat der Städtetag unter Mitwirkung von 14 Städten eine Grundlage für verlässliche Kooperationen mit externen Partnern bei der Schulbetreuung 2017/18 abgestimmt und 2022 aktualisiert und modifiziert. Städte, die bei der Erstellung dieser Grundlage mitgewirkt haben, halten diese Anpassungen für gerechtfertigt. Auf dieser Basis soll weiteren externen Partnern der Kommunen bei der Schulbetreuung der Beitritt zu dieser Kooperationsgrundlage eröffnet werden. Deren Inanspruchnahme bleibt auch nach Beitritt beidseitig freiwillig. Die vom Bund zugesagte Teilfinanzierung ist notwendig, um diese Angebote und deren organisatorische Verankerung im Schulalltag verlässlich zu finanzieren.
 
Das Kultusministerium unterstützt dieses Modell und verhandelt mit dem Bund über die Ausgestaltung der vom Gesetz geforderten Schulaufsicht.
 

Gudrun Heute-Bluhm: „Bildung und Ganztagsschule haben mich schon vor zehn Jahren in Lörrach umgetrieben. Sie sind ebenso wie die Digitalisierung Themen, für die wir Kommunalen einen langen Atem brauchen und auch mit unvollendeten Zuständen leben müssen. Aus dem schnellen, aktiven Handeln ziehe ich mich jetzt zurück – ich werde mich aber weiterhin politisch und thematisch engagieren, insbesondere für den kommunalen Klimaschutz.“
 

  
Kurz-Vita Gudrun Heute-Bluhm
 
Von August 2014 bis Oktober 2022 war Gudrun Heute-Bluhm Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg. Von Mai 1995 bis Juli 2014 war sie Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach.
 
Sie hat in Konstanz Rechtswissenschaften studiert und war von Oktober 1981 bis April 1987 Richterin am Verwaltungsgericht Freiburg und von Mai 1987 bis Mai 1995 Erste Landesbeamtin beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald.