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Fünf Fragen an Simone Fischer, neue Beauftragte des Landes Baden-Württemberg für die Belange von Menschen mit Behinderung

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Stuttgarterin Simone Fischer für die Dauer der Wahlperiode des Landtags zur neuen hauptamtlichen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen
in Baden-Württemberg bestellt. Sie wird das Amt am 1. Oktober antreten.


Frau Fischer, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe! In Ihrer Zeit beim Städtetag war Ihnen der ganzheitliche Ansatz von Inklusion immer wichtig, Inklusion auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wie werden Sie das als Landes-Behindertenbeauftragte angehen?

Das Recht auf Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und die selbstverständliche Chance zur Teilhabe sind kein „nice to have“ – für den einzelnen Menschen und für das Zusammenleben aller sind sie „must have“. Der Gedanke der Inklusion muss Kompass unserer Gesellschaft sein, damit wir gute Lebensgrundlagen für alle Menschen erreichen. Gerechte Lebensbedingungen, selbstbestimmte Wahlmöglichkeiten und Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung sind für unser Zusammenleben von Bedeutung. Barrierefreiheit ist ein Qualitätsmerkmal einer menschlichen Gesellschaft und für die Zufriedenheit enorm wichtig. Menschen mit Behinderung sind wichtiger Teil unserer Gesellschaft, ein Teil des Ganzen. Als Teil des Ganzen müssen sie barrierefreie und inklusive Rahmenbedingungen vorfinden, um teilhaben und sich selbst auch aktiv einbringen zu können. Sie sollen natürlich auch Ämter und Aufgaben für die Gesellschaft übernehmen können, sie sollen Vorgesetzte, Kollegin, Mitarbeiter und sichtbarer Teil unserer Gesellschaft sein – es ist ein Geben und Nehmen. Auch Menschen mit Behinderung sind leistungsfähig, gerade auch Frauen mit Behinderung kommen leider noch viel zu selten in der Öffentlichkeit oder auch in Führungsaufgaben vor. Mir ist wichtig, dieses Selbstverständnis zu verstärken und mich für Sichtbarkeit und Beteiligung einzusetzen. Hier können wir noch einiges verbessern.

Wir kennen durch Ihre Zeit beim Städtetag Ihre begeisternde und lebensfrohe Art. An welchen Punkten oder bei welchen Themen wollen Sie als erstes ansetzen, um sie im Sinne der Menschen mit Behinderung zu verbessern?

Ich stelle mich mit meiner Erfahrung, Leidenschaft, Verbindlichkeit und Freude in den Dienst der Landesregierung und der Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg. Die Anliegen der Menschen mit Behinderung selbst spielen für mich die wesentliche Rolle, ihre Belange müssen frühzeitig eingebracht und mitgedacht werden. Mir liegen die Themen Arbeit und Beschäftigung, Sichtbarkeit und Beteiligung und Barrierefreiheit am Herzen. Ich werde meinen Beitrag leisten, damit wir hier weiter vorankommen.

Welche Voraussetzungen und Bedingungen brauchen Sie dazu?

Neben guter Gesetze benötigt es Verbündete, auch ohne Behinderung, die Notwendigkeiten erkennen und sich in ihrem Wirkungskreis dafür einsetzen, um Barrierefreiheit im Alltag, individuelle und barrierefreie Wohnmöglichkeiten, gerechte und inklusive Erziehungs-, Bildungs- und Arbeitsbedingungen, Freizeitangebote sowie insgesamt barrierefreie und damit gute Lebensbedingungen zu schaffen.

Wenn uns Inklusion in Kita, Schule und in der Arbeitswelt nicht gelingt, ist die Folge die Trennung der Gesellschaft in Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung. Dass Isolation unmenschlich sein kann, haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie gezeigt. Alle sind eingeladen, daran mitzuwirken, sich für ein barrierefreies Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung stark zu machen.

Wie werden Sie den Kontakt zu den Städten gestalten?

Ich sehe meine Aufgabe darin, die Landesregierung zu beraten und dazu beizutragen, dass wir die Ziele im Koalitionsvertrag erreichen. Dabei ist die ressortübergreifende Zusammenarbeit mit den Ministerien, der Landespolitik, die Kooperation mit Selbsthilfeverbänden, den Dienstleistern für Menschen mit Behinderung und insbesondere den Kommunen bedeutsam. In den Städten und Gemeinden arbeiten, leben und begegnen sich Menschen mit und ohne Behinderung. Hier wird Inklusion erfolgreich sein.

Während meiner Tätigkeit beim Städtetag und als Beauftragte der Landeshauptstadt Stuttgart habe ich immer sehr gut mit den Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung in den 44 Stadt- und Landkreisen zusammengearbeitet. Daran will ich anknüpfen und vernetzt bleiben. Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe sind Querschnittsthemen. Die Mitglieder im Netzwerk Teilhabe für Menschen mit Behinderung und die anderen Arbeitsgemeinschaften beim Städtetag sind wichtige Partner, um Barrierefreiheit und Teilhabe vor Ort weiter voranzubringen. Das Ziel einer barrierefreien und inklusiven Gesellschaft betrifft uns alle. Der Erfolg gelingt uns nur miteinander.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf? Welche Wünsche haben Sie an die Akteure?

Der Umsetzungsprozess zum Landesrahmenvertrag beschäftigt alle Stadt- und Landkreise. Ich stelle fest, dass es nicht in eine einheitliche Richtung geht. Dies aber würde dem Wohl der Menschen mit Behinderung Rechnung tragen. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung, um die guten Absichten des Reformgesetzes in Baden-Württemberg erfolgreich umzusetzen. Ich sehe die große Herausforderung, der sich die Vertragspartner auf allen Ebenen stellen müssen. Aber es braucht Bewegung, die Bereitschaft aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und eine Einigung, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Menschen mit Behinderung legen viel Hoffnung in das, was der Gesetzgeber mit dem Bundesteilhabegesetz vorsieht. Diesem Auftrag müssen wir in Baden-Württemberg glaubwürdig und verlässlich gerecht werden. Es reicht nicht aus, die eigenen Interessen und Ziele im Blick zu haben und daran festzuhalten. Ich würde mir wünschen, dass wir uns gemeinsam immer wieder darauf besinnen, dass wir uns dem Wohl der Menschen mit Behinderung verpflichtet sehen. Ich will dazu beitragen und dafür werben, dass es von Bedeutung ist, auch Freude macht, Wege und Lösungen zu finden, anstatt nach Gründen zu suchen, warum etwas nicht möglich ist.