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Städtetag Baden-Württemberg • Postfach 10 43 61 • 70038 Stuttgart

 
 
 
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Dezernent

 

Bearbeiter
Manuel Brückner

E manuel.brueckner@staedtetag-bw.de
T 0711 22921-37
F 0711 22921-42

Az 048.00 - R 39486/2022 • Mb  

05.09.2022

 

Digitalstrategie Deutschland 2022 - Stellungnahme des Deutschen Städtetages, Bedeutung von sicheren digitalen Identitäten
 
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
die Bundesregierung hat im Rahmen Ihrer Kabinettsklausur in Meseberg am 31.08.2022 eine neue Digitalstrategie beschlossen (Anlage 1). Die Strategie gilt als digitalpolitisches Kursbuch der laufenden Legislaturperiode.
 
Der Deutsche Städtetag sieht in seiner Stellungnahme (Anlage 2) in dem Grundsatzpapier viele gute Ansätze, mahnt respektive regt aber gleichzeitig auch eine konsequente Umsetzung mit entsprechender finanzieller Hinterlegung sowie eine transparente Evaluation des Fortschritts an.
 
Eine der Schlüsselrollen bei der Digitalisierung der Verwaltung wird nach Überzeugung aller die Zurverfügungstellung einer sicheren und nutzerfreundlichen digitalen Identität einnehmen. Dies könnte beispielsweise über eine sogenannte Identifikationsnummer (Personenkennziffer) bewerkstelligt werden.
 
Die Einführung eines solchen Merkmals für jede/n Einwohner/in ist in Deutschland – anders als in anderen Ländern der EU – rechtlich aufgrund des Volkszählungsurteils 1983 und des aus dieser Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung entwickelten „Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung“ derzeit verbaut. Dabei lässt die EU-Datenschutzgrundverordnung derartige Nummern, die in Kombination mit einer individuell festgelegten PIN für die Legitimation bei elektronischen Vorgängen („Personalausweis im Internet“) dienen können, zu. Der Deutsche Städtetag stößt die Weiterentwicklung dieser Rechtslage an, damit auch in Deutschland möglich wird, was in anderen EU-Ländern der Schlüssel für die Digitalisierung der Verwaltung und anderer Bereiche ist.
 
Der „Digitalisierungsweltmeister“ Estland gewährt jedem Bürger und jeder Bürgerin das Recht und die Möglichkeit, jederzeit online einsehen zu können, wer zu welchem Zweck auf seine bzw. ihre Personenkennziffer zugreift. Diese Transparenz schafft die Grundlage für die Zulassung von Nutzungen ebenso wie für Interventionen gegen eine Nutzung durch die jeweilige Person. In folgender Kernpassage des Volkszählungsurteils 1983 des Bundesverfassungsgerichts, Abschnitt C II 1 a, findet sich dieser Grundgedanke bereits wieder (Kursivschrift):
 
„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“
 
Technisch war diese Anforderung des Gerichts 1983 nicht realisierbar, heute ist dies allerdings möglich, wie Estland belegt.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
gez. Norbert Brugger
 
Anlagen

 


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