Sprungziele
Inhalt

Pressemitteilung P 161/2012 / AZ: ST639; 461.11; 462.01; 462.2; 461.10 / Hauptversammlung in Offenburg: „Lebendige Städte – Aktive Bürgerschaft“. Präsidentin Bosch: Beim Thema Bürgermitwirkung haben wir konsequent auf Zusammenarbeit mit dem Land gesetzt

29.10.2012 - Az: ST639 - P 161/2012 - GV/Gu - Bearbeiter: Stefan Gläser  
Telefon: 0711 22921-20 - E-Mail: stefan.glaeser@staedtetag-bw.de
 
 

Hauptversammlung in Offenburg: "Lebendige Städte - Aktive Bürgerschaft"

Präsidentin Bosch: Beim Thema Bürgermitwirkung haben wir konsequent auf Zusammenarbeit mit dem Land gesetzt
 
In den Bereichen Finanzbeziehungen, Ganztages- und Gemeinschaftsschule sowie der Energiewende setzt der Städtetag ebenfalls auf gemeinsame Lösungen
 
 
Stuttgart. Der Städtetag Baden-Württemberg stellt seine Hauptversammlung am 5. November 2012 unter die Überschrift „ Lebendige Städte – Aktive Bürgerschaft“.
 
 
Bürgermitwirkung
Baden-Württemberg ist ein Vorreiter der kommunalen Demokratie in Deutschland. Seit jeher werden Bürgermeister hierzulande direkt vom Volk gewählt. Schon seit 1956 gibt es auch Bürger­begehren und Bürgerentscheide. Mit dem „Demokratiemix “ von repräsentativer Demokratie durch Gemeinderäte und direkter Demokratie durch Bürger­entscheide war Baden-Württemberg allen anderen Bundesländern um Jahrzehnte voraus.
 
Auch die baden-württembergische Demokratie muss aber an die vielfälti­gen Veränderun­gen in unserer Gesellschaft und die vielfältigen neuen Kommunikations­möglichkeiten der Menschen angepasst werden – vor allem in der Art und Weise, wie die Bürgerinnen und Bürger in kommu­na­len Entscheidungsprozessen mitwirken. „ Hinweise und Empfeh­lungen des Städtetags Baden-Württemberg zur Bürgermitwir­kung in der Kommunal­politik “ weisen hierfür den Weg. Sie erscheinen zur Hauptver­samm­lung des Verbands.
 
80 Stadtoberhäupter sowie Expertinnen und Experten für Bürgerbeteili­gung der Kommunen, des Landes und anderer Institutionen haben sich unter Leitung von Bürgermeister Dr. Martin Schairer von der Landes­haupt­stadt Stuttgart für diese vom Städtetagsvorstand einstimmig beschlossene Publikation engagiert. Zu den Mitwirkenden zählten auch Vertreter des Staatsministeriums Baden-Württemberg.
 
„Beim Thema Bürgermitwirkung haben wir damit ganz konsequent auf Zusammenarbeit mit dem Land gesetzt. Das ist mustergültig gelungen“, hebt Städtetagspräsidentin OB Barbara Bosch hervor und verbindet damit ihren herzlichen Dank an alle Mitwirkenden. Bürgermeister Dr. Schairer pflichtet der Präsidentin bei und stellt fest: „Der Städtetag unterbreitet konkrete
 
Vorschläge für eine angemessene Novellierung des Kommunalverfassungsrechts und beschreibt modernes demokratisches Wirken in unseren Städten und Gemeinden. Damit wollen wir mehr Menschen für demokratische Mitwirkung gewinnen.“
 
 
Finanzbeziehungen
Lebendige Städte benötigen eine solide Finanzausstattung. Mit dem am 5. Dezember 2011 zwischen dem Land und den Kommunalen Landesverbänden geschlossenen Pakt für Familien mit Kindern hat das Land ein klares Zeichen für eine sachbezogene Finanzausstattung der Kommunen gesetzt. Mit dem Pakt wurde der jahrelange Streit zwischen den Kommunen und dem Land zur Frage der Konnexität bei der Übertragung der Kleinkindbetreuung auf die Kommunen beigelegt („Wer bestellt bezahlt“). Im Jahr 2013 trägt das Land 477 Mio. Euro, ab 2014 übernimmt das Land 68 % der Betriebskosten.
 
Bei den diesjährigen Finanzverhandlungen konnte ebenfalls ein tragfähiger Kompromiss zwischen Land und Kommunen ausgehandelt werden.
„Zwar hat das Land auch im letzten Haushalt den Griff in die kommunale Finanzmasse zwar nicht gelassen, aber zumindest nicht mehr ganz so hoch ausfallen lassen“, stellt Barbara Bosch fest. Der sogenannte Konsolidierungsbeitrag aus dem kommunalen Finanzausgleich ist um 40 Millionen auf 365 Millionen Euro abgesenkt worden. Der Städtetag habe bereits im letzten Jahr deutlich gemacht, dass diese Absenkung nur ein Einstieg sein könne, betont Präsidentin Bosch. Denn dieser Eingriff nehme allen Städten im Land wichtigen finanziellen Spielraum, so Bosch  weiter. Für den Städtetag ist es daher ein richtiges und wichtiges Signal des Landes, dass mit der Vereinbarung vom 10. September 2012 mit dem Land der Konsolidierungsbeitrag in den Jahren 2013 und 2014 auf 340 Mio. Euro und in den Jahren 2015 und 2016 auf 315 Mio. Euro abgesenkt wird. Mit dieser weiteren Rückführung der Vorwegentnahme aus dem FAG werden dem kommunalen Finanzausgleich zumindest 150 Mio. Euro weniger entzogen. Durch die Laufzeit über die Legislaturperiode besteht zudem Planungssicherheit.
Der Städtetag hat mit seiner Zustimmung zu dieser nur moderaten Absenkung gezeigt, dass sich der Kommunale Landesverband als fairer Partner des Landes versteht. „Langfristig muss es aber Ziel bleiben, dass das Land seinen Haushalt aus eigener Kraft in Ordnung bringt und der Konsolidierungsbeitrag der Kommunen auf Null abgesenkt wird.“, fordert das Geschäftsführende Vorstandsmitglied OB a. D. Prof. Stefan Gläser.
 
Bereits im vergangenen Jahr ist das Land mit dem Einstieg in die Förderung der Schulsozialarbeit einer langjährigen Forderung des Städtetags nachgekommen. Neben der Absenkung des Konsolidierungsbeitrags konnte am 10. September 2012 ebenfalls vereinbart werden, dass das Land sein Drittel entsprechend dem gestiegenen Bedarf für das Schuljahr 2013/2014 von 15 Mio. Euro auf 25 Mio. Euro aufstockt. „Damit wird die finanzielle Last des bedarfsgerechten Ausbaus der Schulsozialarbeit auch in den nächsten Jahren zwischen den Städten und dem Land geteilt.“, unterstreicht Gläser.
 
„Mit unserer Zustimmung, im Gegenzug die Vorwegentnahme aus dem Verkehrslastenverbund zugunsten von Projekten des Schienenpersonennahverkehrs zu erhöhen, haben wir unsere Bereitschaft, gemeinsam mit dem Land Lösungen zu finden, untermauert.“, so Barbara Bosch. „Das zusätzliche Engagement bei der Komplementärfinanzierung des GVFG-Bundesprogramms leistet zudem einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur im Land.“, führt Stefan Gläser weiter aus.
 
„Das Ergebnis ist angesichts der Anstrengungen des Landes zur Haushaltskonsolidierung insgesamt positiv.“, fasst die Städtetagspräsidentin zusammen.
 
 
 
Die langjährige Forderung des Städtetags, die Ganztagesschule im Schulgesetz zu verankern, soll nun in einer Arbeitsgruppe aufgearbeitet werden. Daneben konnte eine Verständigung über
die weitere Zusammenarbeit in der Kommission für Haushalt und Verwaltungsstruktur zur möglichen Delegation von Aufgaben getroffen werden.
 
Ein wichtiges gemeinsames Anliegen von Land und Städtetag ist es, den Investitionsstau bei den Krankenhäusern abzubauen. Während das Land 2011 die Krankenhausfinanzierung um 50 Mio.
Euro aus Landesmitteln aufgestockt hat, wird in 2012 und in den Folgejahren das Fördervolumen durch eine Umschichtung kommunaler Mittel erhöht. „Mit dieser Umschichtung sind wir nicht einverstanden und erinnern die Landregierung an ihre Zusage, die Krankenhausförderung mit zusätzlichen Landesmittel zu stärken.“, hebt Barbara Bosch hervor.
 
 
Kleinkindbetreuung
Die bessere Finanzierung der Kleinkindbetreuung durch das Land hat zu einer deutlichen Beschleunigung des Ausbaus der Betreuungsangebote geführt, auch wenn sich dies in der kürzlich veröffentlichten Statistik (Betreuungsquote zum 01.03.2012 23,1 %) noch nicht niederschlägt.
 
Während das Land nach wie vor davon ausgeht, dass mit einer Betreuungsquote von 34 % der ab August 2013 geltende Rechtsanspruch erfüllt werden kann, sieht die Realität in den Städten anders aus. Die 2007 festgelegte politische Zielgröße von 34 % wird in den Mitgliedstädten des Städtetags 2013 erreicht, vielerorts sogar überschritten werden. Trotzdem werden nicht alle Städte die Einlösung des Rechtsanspruchs fristgerecht gewährleisten können, weil die Nachfrage deutlich höher ist und insbesondere in den größeren Städten bei 50 % oder darüber liegt.
 
Der immer deutlicher spürbare Fachkräftemangel sowie die Probleme bei der Gewinnung von geeigneten Immobilien für die Schaffung neuer Angebote erschweren den Ausbau zusätzlich. Obwohl die Städte mit Hochdruck den Ausbau der Kleinkindbetreuung voranbringen, befürchten sie ab August nächsten Jahres von einer Klagewelle mit erheblichen Schadensersatzforderungen von Eltern, die für ihr über 1-jähriges Kind keinen Betreuungsplatz bekommen, überrollt zu werden.
 
Die Städte fordern deshalb eine Modifizierung des gesetzlichen Rechtsanspruchs, zum Beispiel durch die Begrenzung des Rechtsanspruchs zunächst für Kinder, die das 2. Lebensjahr vollendet haben.
 
Hierbei erwarten die Städte die Unterstützung des Landes. Kommt es zu keiner Modifizierung des Rechtsanspruchs, wird den Städten nichts anderes übrig bleiben, als durch Standardabsenkungen im personellen Bereich, bei der Gruppengröße und den räumlichen Anforderungen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den quantitativen Anforderungen gerecht zu werden. Die Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildungsangebotes, die gerade den Städten ein großes Anliegen ist, steht auf dem Spiel.
 
Die Städtetagspräsidentin bekräftigt, dass die Städte auch bei einer Modifizierung des Rechtsanspruchs den Ausbau der Kleinkindbetreuung weiter voranbringen werden.
 
 
 
 
 
 
 
 
Schulen
Die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg ist von Land und Kommunen gemeinsam weiter­zuentwickeln. Die neue Landesregierung hat mit der Gemeinschafts­schule eine neue Schulart in den Mittelpunkt ihrer Schulpolitik gerückt. Der Städtetag trägt diese Weichenstellung mit, kritisiert aber die verfrühte und unausgegorene Einführung der neuen Schulart.
 
„Wir haben dadurch eine Gemeinschaftsschule, für die es noch keinen Bildungs­­plan, keine ausgebildeten Lehrer und keine angepassten Schulbau- und Schulausstattungsregelungen gibt, geschweige denn eine finanzielle Beteiligung des Landes an den kommunalen Lasten dieser Schuleinführung. Fast alle Gymna­sien und Realschulen zeigen der neuen Schulart zudem noch die kalte Schulter, während viele Haupt- und Werkrealschulen samt ihren Trägern auf die Umwandlung zur Gemeinschaftsschule drängen“, stellt die Städtetagspräsidentin fest. Und Stefan Gläser konstatiert: „Wir müssen unser Schulsystem von der jetzigen Fünfgliedrigkeit (Gymnasium, Realschule, Werkrealschule, Hauptschule, Gemeinschaftsschule) in eine Zweigliedrigkeit umwandeln, weil es sich nur so stabilisieren und finanzieren lässt. Neben dem Gymnasium wird nur eine weitere Schulart auf Dauer mit annähernd gleicher Schülerzahl bestehen können.“
 
Vor der Gemeinschaftsschuleinführung hätte das Land sich mit den Kommunalen Landesverbänden über diese große Linie der Schulpolitik verständigen müssen, so Gläser. Das Versäumte müsse nun schleunigst nachgeholt werden, um weitere Fehlentwicklungen und Fehlerwartungen zu vermeiden. Der Städtetag habe dem Land dazu ein Maßnahmenpaket unterbreitet.
 
Energiewende
Die Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen sendet ein deutliches Signal aus, dass die Städte und Stadtwerke als Partner gewonnen werden sollen. Der Städtetag begrüßt das dort formulierte Angebot der partnerschaftlichen Einbindung in den für die Energiewende notwendigen Ausbau der Kapazitäten und in die Neuausrichtung von Klimaschutz- und Energiewirtschaft.
„Zum Gelingen der Energiewende reicht es aber nicht allein, darauf zu verweisen – wir brauchen auch die erforderlichen Rahmenbedingungen. Die Umsetzung der jetzigen Ziele und der Energiewende braucht in weitaus stärkerem Maße als bisher dezentrale Ansätze.“, betont Städtetagspräsidentin Bosch.
„Die Kommunen und ihre Stadtwerke stehen den Bedürfnissen und Anforderungen der Bürgerschaft sowie der lokalen und regionalen Wirtschaft am nächsten und sind am unmittelbarsten mit den Erwartungen vor Ort konfrontiert.“, hebt Stefan Gläser hervor.
 
 
Die Energieversorgung ist dabei nur ein Ausschnitt der weit umfassenderen Daseinsvorsorgeleistungen der Kommunen insgesamt. Neben Strom und Gas, Konzessionen oder Netzinfrastrukturen sind Städte wesentlich breiter aufgestellt. Dies gilt auch hinsichtlich Nachhaltigkeit und Bürgerorientierung. „Die Auswirkungen unserer eigenen Entscheidungen bekommen wir hautnah zu spüren.“, so Bosch. Für den Städtetag steht der Auftrag der öffentlichen Daseinsvorsorge und keine kurzfristigen Gewinne im Vordergrund. „Es geht um regionale Wertschöpfung und die Ver- und Entsorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger.“, so Bosch weiter.
 
Im Interesse der Bürgerschaft möchten die Städte die Energiewende von Anfang an mitgestalten und nicht nur „verwalten“. Der Städtetag vertritt die Auffassung, dass Land, Städte, Stadtwerke und die EnBW zu einem fairen Zusammenwirken kommen müssen. Dabei sind die jeweiligen Stärken zu berücksichtigen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbsgerechtigkeit zu gewährleisten. „Die viel zitierte „Augenhöhe“ muss sich in der
 
Praxis widerspiegeln: Beim Klimaschutzgesetz und dem integrierten Klimaschutzkonzept sind wir bereit, aktiv mitzuarbeiten und Erfahrungen aus schon laufenden kommunalen Klimaschutzprogrammen der Städte mit einzubringen. Aber auch hier gilt der Grundsatz der Konnexität.“, betont Barbara Bosch.
 
Ein weiteres zentrales Thema für den Verband ist der Netzausbau. Auch bei diesem darf die dezentrale Komponente nicht aus dem Blick geraten. Die Bedeutung der „intelligenten“ Verteilernetze wächst ständig durch die Notwendigkeit des regionalen Ausgleichs der volatil erzeugten erneuerbaren Energien. Neben der Energiewende wäre eine „Regulierungswende“ notwendig. Ein Musterkriterienkatalog für die Konzessionsvergabe ist aus Sicht des Städtetags dabei kontraproduktiv.
 

 

Dokumente: