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Pressemitteilung P 159/2012 / AZ: 022.00; 021.27 / Städtetag Baden-Württemberg und Abgeordnetenwatch (01.06.2012)

01.06.2012 - Az: 022.00 - P 159/2012 - Br/Gu - Bearbeiter: Norbert Brugger  
Telefon: 0711 22921-13 - E-Mail: norbert.brugger@staedtetag-bw.de
 
 
Städtetag Baden-Württemberg und Abgeordnetenwatch           
 
 
Stuttgart. Abgeordnetenwatch aus Hamburg hat in einem Newsletter vom 23.05.2012 unrichtigerweise behauptet, der Städtetag Baden-Württemberg habe sein Angebot beim Hamburgischen Datenschutz­beauftragten „angezeigt“. Wir haben die s durch unsere Pressemitteilung P 158/2012 vom 24.05.2012 richtig gestellt und den betreffenden Vorgang dargestellt. Nachfolgend haben Medien ergänzend Fragen zu diesem Vorgang an uns gerichtet. Unsere Antworten sind nachfolgend abgedruckt.
 
 

1.   Handlungslegitimation des Städtetags und Recht des einzelnen Gemeinderatsmitglieds

Der Städtetag hat als Kommunaler Landesverband kraft seiner Satzung insbesondere die Aufgabe, die politischen Interessen seiner Mitgliedstädte zu vertreten und diese Städte ferner über das aktuelle kommunalrelevante Geschehen zu unterrichten, für sie Empfehlungen zu erarbeiten, Erfahrungs- und Wissensaustausch für sie zu organisieren und sie zu beraten. Die Aufgabe der Interessenvertretung ist auch in Artikel 71 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg verankert.

Als Abgeordnetenwatch zu Jahresbeginn seinen in Baden-Württemberg angesiedelten Piloten für die Angebotserweiterung auf Gemeinderäte in den Regelbetrieb überführte, haben sich Städte mit der Bitte um Beratung an uns gewandt. Der Impuls dafür kam aus Gemeinderäten. Rats­mit­glieder wollten wissen, ob jedermann ungefragt für sie ein Profil im Internet anlegen und damit ein Angebot betreiben kann. Diese Frage kam nicht von ungefähr: Die Städte selbst dürfen solche Profile für ihre eigenen Räte auch nur mit deren Zustimmung anlegen, wie der Landes­daten­schutz in Baden-Württemberg vor einigen Jahren unter Verweis auf die rein ehrenamtliche Tätigkeit dieser Personen festgestellt hat.

Unsere Antwort dazu baut auf dieser Auslegung des grundgesetzlich geschützten „Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ auf (Städtetagsrundschreiben vom 27.01.2012, dessen Wortlaut der Pressemitteilung P 158/2012 vom 24.05.2012 beiliegt). Es soll die Sache jedes einzelnen Ratsmitglieds sein, ob es sich auf den virtuellen Marktplatz für Information und Austausch begibt, den ihm Abgeordnetenwatch eröffnet. Dieses Selbstbestim­mungsrecht wird ja ganz selbstverständlich auch in anderen Bereichen respektiert. Wenn ein Veranstalter beispielsweise einen Gemeinderat für eine Podiumsdiskus­sion auf dem realen Marktplatz der Stadt einplant, nimmt er ihn auch nicht ungefragt in das Veran­staltungsprogramm auf.

Abgeordnetenwatch nimmt aber Gemeinderäte ungefragt in seinen virtuellen Marktplatz auf. Unserer Bitte, diese Praxis zu ändern, ist Abgeordnetenwatch nicht gefolgt. Hierin liegt der einzige Dissens zwischen Abgeordnetenwatch und Städtetag. Vor diesem Hintergrund haben wir den Landesdaten­schutz­­beauf­tragten um seine Bewertung gebeten. Auf Grundlage dieser Bewertung wollten und wollen wir weiterhin mit Abgeordnetenwatch einem für alle Seiten tragfähigen Kompromiss erreichen.

Abgeordnetenwatch weiß von jedem dieser Schritte und hat sich für unser sachliches und konsensorientiertes Vorgehen im Februar sogar ausdrücklich schriftlich bedankt. Deshalb haben uns die Vorwürfe gegen den Städtetag in dessen Newsletter vom 23.05.2012 kalt erwischt. Von „Einschüch­terung“ kann doch keine Rede sein, nur weil man unterschiedliche Auffassungen hat. Und eine „Anzeige“ haben wir gegen Abgeordnetenwatch nicht erhoben. Das ist auch generell nicht der Arbeitsstil beim Städtetag. Der Verband hat seit Jahrzehnten keine Klage gegen irgendwen erhoben.

2.   Gleichbehandlung von Bundestagsabgeordneten und ehrenamtlichen Ratsmitgliedern

Ob hauptberufliche Bundestagsabgeordnete mit ehrenamtlichen Ratsmitgliedern gleichzusetzen sind soll, wie in der Antwort zu Frage 1 beschrieben, geklärt werden. Dabei geht es nicht darum, den Räten irgendetwas zu verbieten. Selbstverständlich sollen sich Räte in Abgeordnetenwatch einbringen können und manche sind ja auch schon dabei. Sie sollen das aber selbst entscheiden können. Und um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: In diese Entscheidungsfreiheit der Räte können und wollen selbstverständlich auch die Oberbürgermeister und Bürgermeister der Städte nicht eingreifen.

Abgeordnetenwatch agiert nach unserer seitherigen Wahrnehmung sehr seriös und trifft den Geschmack mancher und vielleicht sogar vieler, aber eben nicht unbedingt aller. Demokratie bedeutet gerade auch, die Rechte von Minderheiten zu wahren. Wenn sich Räte entscheiden, ihre aufgrund des ehrenamtlichen Mandats sehr begrenzte Zeit für Kommunalpolitik auf andere Bereiche zu konzentrieren ist das nach unserer Auffassung zu respektieren. Mancher sieht seine Stärken nicht im Schriftlichen, sondern im persönlichen Kontakt und begibt sich daher bei jeder Gelegenheit „unters Volk“, um von Angesicht zu Angesicht Rede und Antwort zu stehen. Das ist genauso wertvoll wie ein Austausch unter Abgeordnetenwatch und erfüllt den Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach persönlicher Präsenz der Räte in ihrer Stadt, um sich „Fragen der Öffentlichkeit zu stellen“. Kommunalpolitik ist ein Konzert aus vielen unterschiedlichen Instru­menten und Tönen.

 
 
 
3.   Dialog des Städtetags mit Abgeordnetenwatch

Der Städtetag hat in der beschriebenen strittigen Rechtsfrage den Dialog mit Abgeordneten­­watch gesucht und zunächst gefunden. Er hat diesen Dialog aus den genannten Gründen in einen Trialog Abgeordnetenwatch – Städtetag – Datenschutzbeauftragter erweitert, weil Letzterer dazu berufen ist, sich zur strittigen Frage zu äußern. Diesen Trialog will der Städtetag mit dem Ziel einer für alle Seiten akzeptablen und mit geltendem Recht in Einklang stehenden Lösung fortsetzen.


 

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