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Datum: 08.01.2025

P 530/2025 Az.: 047.43 / Städte sind in dramatischer finanzieller Schieflage (08.01.2025)


 

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Az 047.43 - P 530/2025 · Co
 

08.01.2025

 

Städte sind in dramatischer
finanzieller Schieflage

 
 
Stuttgart.  Die Finanzlage der Städte in Baden-Württemberg spitzt sich immer weiter zu. Eine Umfrage des Städtetags Baden-Württemberg unter seinen Mitgliedsstädten sowie die Ergebnisse der Herbststeuerschätzung zeigen alarmierende Entwicklungen.
 
In der Umfrage des Städtetags wird deutlich: Die Städte tun sich schwer, einen ausgeglichenen Haushalt für 2025 aufzustellen: 87 Prozent der teilnehmenden Städte planen im Haushalt 2025 mit einem negativen ordentlichen Ergebnis, beim Haushalt 2024 lag der Anteil noch bei rund 75 Prozent. Die Gewerbesteuereinnahmen gehen stetig – und in vielen Städten dramatisch – zurück. Gleiches gilt für die Mittelzuweisungen von Land und Bund an die kommunale Ebene.
 
Dr. Frank Mentrup, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, sieht die Städte zunehmend an ihren finanziellen Grenzen: „Die Finanzlage der Städte ist dramatisch. Die Einnahmen sinken, während die Ausgaben ungebremst steigen“, so Mentrup. „Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben wird immer größer. Wir sehen aggressiv steigende Ausgaben beim ÖPNV, bei den Kliniken und beim Bundesteilhabegesetz, die sich bei den Stadtkreisen direkt und bei den Landkreisen über die Kreisumlage auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden auswirken. Bund und Land müssen endlich handeln.“
 
 
 

Rückgang bei Einnahmen, massive Kostensteigerungen
Die Oktober-Steuerschätzung 2024 zeichnet ein besorgniserregendes Bild: Bereits für 2024 wurden die Steuereinnahmen um mehrere hundert Millionen Euro nach unten korrigiert. Die schlechte Konjunktur wird aber auch in den kommenden Jahren die Haushalte der Städte, Gemeinden und Landkreise wesentlich stärker belasten als bisher angenommen. Die Einnahmeprognosen für 2025 und 2026 weisen einen weiteren Rückgang von insgesamt 2 Milliarden Euro aus. Bis 2028 beläuft sich das Minus voraussichtlich sogar auf 5,3 Milliarden Euro.
 
Gleichzeitig werden die Kommunen von steigenden Ausgaben und wachsenden Aufgaben schier erdrückt. Besonders der Sozialbereich ist von erheblichen Kostensteigerungen betroffen, mit einem Anstieg von mehr als 20 Prozent allein von 2023 auf 2024. Hinzu kommen Belastungen durch das Bundesteilhabegesetz sowie durch eine sprunghaft angestiegene Kreisumlage in fast allen Landkreisen, die neben den gestiegenen Sozialkosten unter anderem auch durch gewaltige Defizite der Kreiskliniken verursacht wird. Auch die Schulden der Städte sind laut Umfrageergebnis seit 2023 um mehr als 20 Prozent gestiegen. Zugleich nehmen Zahl und Umfang der Kassenkredite in den Kommunen zu – ein absolutes Novum in Baden-Württemberg.
 
Forderung nach strukturellen Änderungen
Aus Sicht des Städtetags Baden-Württemberg könnte ein Ansatzpunkt eine Neuverteilung der Umsatzsteuer zugunsten der Kommunen sein, wie sie auch die Innenministerkonferenz für richtig hält, sowie klare Finanzierungszusagen bei neuen Aufgaben. Mentrup appelliert: „Es kann nicht sein, dass die Kommunen mehr als 25 Prozent des öffentlichen Haushalts tragen, dafür aber nur 14 Prozent der Steuereinnahmen erhalten. Bund und Land müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und die Kommunen in die Lage versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen.“
 
Als weitere strukturelle Anpassung schlägt Mentrup vor, den Kommunen so genannte rentierliche Schulden zu ermöglichen, Maßnahmen zur Klimaanpassung leichter zu finanzieren. Außerdem solle man mit dem Land darüber sprechen, ob Investitionen aus der Abschreibungspflicht herausgenommen werden können, wie es für das Land schon jetzt möglich ist. Mentrups Fazit: „Wir brauchen jetzt einen Dialog darüber, wie wir die Kosten zwischen Bund, Land und Kommunen gerechter verteilen können.“
 
Neue Aufgaben ohne auskömmliche Finanzierung
Die Situation wird durch neue Aufgaben und Standards verschärft, die von Bund und Land an die Kommunen delegiert werden – jedoch ohne ausreichende finanzielle Unterstützung. „Und wenn der Bund nicht bereit ist, die Mittel zur Verfügung zu stellen, muss eben das Land uns Kommunen finanziell in die Lage versetzen, die Aufgaben erledigen zu können. Allerdings finden wir im kurz vor Weihnachten verabschiedeten Landeshaushalt hierauf leider keine Antworten.“ Als Beispiele für solche Aufgaben ohne ausreichende Finanzierung nennt Mentrup den Ganztagsanspruch in der Grundschule ab dem Schuljahr 2026/2027, bei dem nach wie vor nicht geklärt ist, wie die Betreuung auf kommunaler Ebene finanziert werden soll, sowie die Umsetzung von Arbeitsschutzkontrollen: Hier hat der Bund eine Kontrollquote von mindestens 5 Prozent der Betriebe im Land festgelegt, die in den Stadt- und Landkreisen einzuhalten ist – stellt aber keinerlei Geld zur Verfügung, um das dafür nötige Personal auch einstellen zu können: Um die Kontrollquote ab Januar 2026 erfüllen zu können, haben Wirtschaftsministerium und Kommunale Landesverbände dafür gemeinsam einen Bedarf von 285 zusätzlichen Stellen in den 44 Stadt- und Landkreisen ermittelt. „Jetzt ist das Land in der Verantwortung. Mittel dafür sucht man allerdings im Doppelhaushalt 2025/2026 vergeblich.“
 
Auch beim Deutschlandticket besteht das Risiko, dass die Kommunen erneut als „Ausfallbürgen“ in die Verantwortung genommen werden, um Einnahmeausfälle zu kompensieren. „Das Land muss hier dringend handeln und einen Tarifanwendungsbefehl erlassen, um den Kommunen Planungssicherheit zu geben“, fordert Mentrup.
 
Bei der Schulsozialarbeit bleibt das Land den Kommunen seit Jahren die ursprünglich zugesagte Drittelförderung schuldig. Momentan und seit 2012 unverändert beträgt der Zuschuss des Landes nur 16.700 Euro pro Vollzeitstelle. Hier ist ebenfalls dringend eine Anpassung nötig: Eine Drittelfinanzierung liegt heute bei mindestens 25.500 Euro pro Jahr und Vollzeitstelle. Mentrup sieht das Land daher in der Verantwortung, die Landesförderung analog zur Personalkostenentwicklung zu dynamisieren und das Landesfördervolumen zu erhöhen, um das Förderdrittel des Landes zu sichern.
 
 
 
 
Hoher Investitionsbedarf – ungelöste Finanzierungsfragen
Zusätzlich zu den laufenden Belastungen stehen die Kommunen vor gewaltigen Investitionsaufgaben: Allein zur Transformation der Energie- und Wärmeversorgung müssen bundesweit bis 2030 600 bis 700 Milliarden Euro investiert werden, um das Klimaneutralitätsziel zu erreichen. Eine Studie des DIW ECON beziffert den Investitionsbedarf für Baden-Württemberg bis 2030 auf 98 Milliarden Euro, inklusive des Gebäudesektors. Gleichzeitig bleibt der immense Sanierungsstau, etwa bei Brücken, ungelöst – hier sind Investitionen in ähnlicher Höhe nötig.
 
„Diese Summen können die Kommunen und ihre Stadtwerke nicht allein stemmen“, mahnt Mentrup. „Es braucht eine Kombination aus neuen und althergebrachten Finanzierungsbausteinen und einen offenen Dialog darüber, wie alle Akteure – EU, Bund, Land, Kommunen, Privatwirtschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger – gemeinsam an der Transformation arbeiten können, um diese Aufgabe zu meistern.“
 
Der Städtetag hat deshalb ein Diskussionspapier zur Finanzierung des kommunalen Klimaschutzes erarbeitet, das praktikable und lösungsorientierte Ansätze aufzeigt und die dringende Notwendigkeit eines abgestimmten Vorgehens zwischen Kommunen, Politik und Wirtschaft betont.
 

 

 

 


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