P 367/2020 Az.: 047.43; 401.587 / Große Löcher in kommunalen Kassen - Gemeinsame Presseinformation von Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag (15.06.2020)
Gemeinsame Pressemitteilung des Gemeindetags Baden-Württemberg, des Städtetags Baden-Württemberg und des Landkreistags Baden-Württemberg
In den Kassen der Kommunen klaffen große Löcher
Stuttgart. Eine Umfrage unter den Städten, Gemeinden und Landkreisen im Land zeigt: Den baden-württembergischen Kommunen fehlen durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr mehr als 4,6 Milliarden Euro.
Dass fast alle der 1101 Kommunen Städten und Gemeinden und den 35 Landkreisen im Land an der gemeinsamen Erhebung der Kommunalen Landesverbände Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag zur aktuellen Finanzsituation teilgenommen haben, zeigt, wie sehr ihnen das Problem unter den Nägeln brennt. Die Erhebung umfasst die Rückmeldungen aus 35 Landkreisen, neun Stadtkreisen und 1.038 Städten und Gemeinden sowie von 13 Verwaltungsgemeinschaften. Sie deckt damit 98 Prozent der Einwohner des Landes ab und gibt einen verlässlichen Überblick über die Corona-bedingten Mehraufwendungen und Mindereinnahmen, die die Kommunen bis zum Erhebungsstichtag 15. Mai 2020 zu verzeichnen haben.
Die Ergebnisse bestätigen, was die Spitzen der Kommunalen Landesverbände bereits prognostiziert hatten: Die Haushaltslage der Städte, Gemeinden und Landkreise hat sich durch die Corona-Pandemie dramatisch verschlechtert. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:
780 Millionen Euro Defizit sind allein bis zum Stichtag 15. Mai durch Mindereinnahmen in den kommunalen Kassen aufgelaufen, zum Beispiel durch entfallene Beiträge für Kinderbetreuung, aber auch durch Corona-bedingte Mehrbelastungen kommunaler Krankenhäuser oder durchzusätzliche Ausgaben im direkten Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, etwa für Schutzausrüstung.
Bei der allgemeinen Finanzausstattung der Kommunen stellt sich die Lage noch weitaus dramatischer dar. Allein aus der Mai-Steuerschätzung 2020 ergeben sich Mindereinnahmen von insgesamt 3,8 Milliarden Euro, rund 1,9 Milliarden Euro davon entfallen auf die Gewerbesteuer.
Nimmt man die Mai-Steuerschätzung und ihre Auswirkungen auf den Kommunalen Finanzausgleich mit den bereits aufgelaufenen Mindereinnahmen und Mehraufwendungen von 780 Millionen Euro zusammen, liegt das erwartete Defizit der Kommunen im Land also bei rund 4,6 Milliarden Euro.
Davon abzuziehen sind die beiden Soforthilfe-Abschlagszahlungen des Landes von 200 Millionen Euro.
Rund 170 Millionen Euro davon werden für die Erstattung der Elternbeiträge für Kitas, Horte, Tagespflege und weitere Betreuungseinrichtungen benötigt sowie für die Erstattung an kirchliche und freie Träger von Kitas. Dieser Gebührenverzicht müsste voll kompensiert werden, nachdem der Ministerpräsident den Eltern das versprochen hatte.
Von den verbleibenden rund 30 Millionen Euro müssten finanziert werden:
• Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung (Schutzmaterial, zusätzlicher Personal- und Sachaufwand u.a.)
• erhöhte Ausgleichsleistungen der Kommunen an ihre Krankenhäuser
• massive Nettomehrbelastungen der kommunalen Sozialhaushalte
• ÖPNV/Schülerbeförderung – hier müssen Bund und Land ihre Versprechen und ihr ehrliches Bemühen wahr machen, die Kommunen handlungsfähig zu halten
• Volkshochschulen, Musikschulen und Sonstiges
Da die Gesamtkosten aber höher liegen, decken die verbleibenden 30 Millionen Euro höchstens einen Bruchteil der Belastungen – zu wenig, um die Kommunen wirklich zu stützen.
Beim schwer gebeutelten ÖPNV, wo die Belastungen etwa zur Hälfte bei den Stadtkreisen liegen, zeichnet sich durch die zugesagten Hilfen von Bund und Land bereits eine weitgehende Kompensation der Ausfälle ab. Hier haben Bund und Land erkannt, dass eine wichtige Infrastruktur von öffentlichen Verkehrsträgern und Privatunternehmern andernfalls wegbrechen würde.
„Die Städte und Gemeinden erwarten, dass sich Land und Bund gemeinsam bemühen, die Einnahmenseite der Kommunen – also die Steuereinnahmen und die Finanzzuweisungen – zu stabilisieren. Die bisher nur als Liquiditätshilfe gewährten Abschlagszahlungen müssen den Kommunen endgültig verbleiben. Bei den Mehrkosten in den übrigen Kategorien – insgesamt rund 780 Millionen Euro – streben die Kommunen eine faire Lastenteilung mit Land und Bund an“, so Dr. Peter Kurz, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg.
„Um Haushaltssperren und Sparkurse bei Investitionen oder freiwilligen kommunalen Leistungen zu verhindern, ist es zuallererst wichtig, die kommunalen Einnahmen zu stabilisieren. Im nächsten Schritt müssen unsere Städte und Gemeinden in die Lage versetzt werden, als Konjunkturmotoren durchzustarten. Der Bund hat dazu bereits erste Maßnahmen beschlossen, jetzt brauchen wir noch den Schulterschluss mit dem Land. Es muss uns gelingen, den Bürgerinnen und Bürgern zu signalisieren, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen, um der Wirtschaft wieder zum Aufschwung zu verhelfen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern“, ergänzt Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg.
„Eine umgehende Grundsatzverständigung über die Beteiligung des Landes an den durch die Corona-Krise verursachten kommunalen Nettomehrbelastungen ist umso dringlicher, als ohne entsprechende Planungssicherheit die Kommunen als Konjunkturmotor weithin ausfallen werden. Insbesondere muss das Land den Kommunen auch einen Teil des Verlustausgleichs für ihre Kliniken abnehmen. Gerade die kommunalen Krankenhäuser haben in der Krise dafür gesorgt, dass die Pandemie im Griff gehalten werden konnte. Außerdem sind im Hinblick auf eine mögliche zweite Infektionswelle noch rechtzeitig vor der Sommerpause die Voraussetzungen zu schaffen, damit in den Gesundheitsämtern 205 unbefristete Dauerstellen geschaffen werden können“, betont Joachim Walter, Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg.
Der Bund hat zugesagt, die Hälfte der drohenden Gewerbesteuerausfälle zu erstatten, wenn die Länder die jeweils andere Hälfte übernehmen. Dieses System sei gut und richtig, so die Kommunalen Landesverbände – sie wollen allerdings die tatsächlichen Ausfälle betrachtet wissen: Sie fassen diese Zusage so auf, dass die Mittel nach einem direkten Vergleich der Herbst-Steuerschätzung 2019 und der Mai-Steuerschätzung 2020 an die Länder ausbezahlt werden.
Da die vom Bund genannten 11,8 Milliarden Euro nicht endgültig, sondern lediglich eine erste Prognose auf Basis der Steuerschätzung Mai 2020 sind, erwarten die Verbände weiter einen Ausgleich der tatsächlichen Steuerausfälle – eben jeweils zur Hälfte von Bund und Land. Dies sei auch deshalb richtig, weil das Land die Finanzämter von Beginn der Krise an angewiesen hatte, Steuervorauszahlungen großzügig zu stunden.
Baden-Württemberg ist bisher das einzige Bundesland, in dem durch eine derartige Erhebung belastbare Zahlen vorliegen. „Die Zahlen zu den Mindereinnahmen der Verwaltungen ohne Gewerbesteuer werden auch anderen Bundesländern helfen, einschätzen zu können, mit welchen Belastungen sie rechnen müssen“, so die Einschätzung der Kommunalen Landesverbände.
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