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P 336/2018 Az.: 047.43 / Präsident Dr. Peter Kurz zu aktuellen Themen (25.09.2018)

PRESSEINFORMATION Geschäftsführendes  
Vorstandsmitglied

Bearbeiterin
Christiane Conzen
 
E
christiane.conzen@staedtetag-bw.de
T 0711 22921-
48
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Az
047.43 - P 336/2018 · Co
 

24.09.2018

 

Städtetagspräsident Kurz stellt

Schwerpunktthemen vor
 
Stuttgart. Dr. Peter Kurz ist seit 1. Juli 2018 Präsident des Städtetags Baden-Württemberg. Jetzt sprach der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim einige Themen der nächsten Zeit an. Zentral ist für ihn die Handlungsfähigkeit und den Einfluss der Städte in der Gestaltung der aktuell drängenden Fragen, beispielsweise des Wohnungsbaus, der Migration und Integration sowie der Gestaltung der lokalen Demokratie, zu erhöhen.
 

Wohnungsbau
Neben dem aktuellen Handlungsdruck und dem Wunsch nach raschen Lösungen wird immer deutlicher, dass es an langfristig angelegten Konzepten und an Gestaltungsmöglichkeit vor Ort zur Eindämmung von Spekulation fehlt.
Hier haben der baden-württembergische und der bayerische Städtetag Ende Juni ein Positionspapier vorgelegt, das beispielsweise ein generelles Vorkaufsrecht der Kommunen für Grundstücke auf eigenem Hoheitsgebiet fordert sowie eine Verstetigung der Instrumente des Baugesetzbuches, um eine nachhaltige Innenentwicklung zu realisieren.
 
Migration und Integration
Die Dauerdebatte um Migration gefährdet allgemein bestehende Integrationserfolge, die gesetzlichen Regelungen konkrete Integrationserfolge bei Geflüchteten. Der Städtetag wird sich in den nächsten Wochen mit der Frage, wie wir Migration organisieren und begegnen sollten, befassen. Von einem Einwanderungsgesetz erwartet der Städtetag auch eine pragmatische Lösung für diejenigen, die sich integriert haben, aber keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Damit sei kein freier Wechsel nach eigenem Belieben zwischen den Systemen gemeint, sondern pragmatische Lösungen, die menschlich sind und im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen. „Es stellt sich immer öfter die Frage: Warum sollen die gut Integrierten gehen? Das fragen Freunde, Nachbarn und Arbeitgeber der betroffenen Flüchtlinge, viele Rathauschefs und -chefinnen kennen solche Fälle. Für Menschen, die integriert sind und Arbeit haben, muss die Politik deshalb Möglichkeiten schaffen, bleiben zu können. Menschen, die sich von Anfang an bemüht haben – um Sprache, um Arbeit und darum, hier bei uns anzukommen, denen müssen und wollen wir eine Perspektive und eine Chance bieten.“
 
Handlungsfähigkeit der Städte
In Zeiten, in denen zum Beispiel dringend benötigte Baugebiete für neuen Wohnraum durch Bürgerentscheide verhindert werden können, will sich der Städtetag zukünftig verstärkt mit der Frage nach der Handlungsfähigkeit der Kommunen beschäftigen. „Die im Sinne der Stärkung der Demokratie gut gedachten Instrumente haben leider eine Kehrseite: Sie können die Handlungsfähigkeit der Kommunen im Sinne des Gemeinwohl einschränken, soziales Kapital und Vertrauen verzehren und damit das Gegenteil des beabsichtigten erreichen.“
 
Die Novelle der Gemeindeordnung 2015 hat die Hürden für Bürgerbegehren und -entscheide gesenkt, die Anwendungsfälle ausgeweitet und das Kommunalwahlrecht begünstigt eine Zersplitterung der Gemeinderäte. So geht Stabilität verloren. „Unter diesen Veränderungen werden auch die Gremien selbst spürbar nervöser, was das Zutrauen in die Institutionen weiter schwächt.“
 
Die grün-schwarze Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Neuerungen aus 2015 der Gemeindeordnung zu evaluieren. Dabei will sich der Städtetag mit den Erfahrungen seiner 189 Mitglieder aktiv einbringen: „Uns beschäftigt grundsätzlich die Frage, ob die neuen beziehungsweise abgeänderten Instrumente eine Chance sind, die Gesellschaft zusammenzuhalten, oder ob sie eher die Gefahr bergen, sie zu spalten“, so Kurz weiter. Die Frage muss sein: „Was ist praktisch wirksam, um Zusammenhalt, Handlungsfähigkeit und Vertrauen zu stärken?“
 
Finanzen
In der Gemeinsamen Finanzkommission haben sich Land und Kommunen kurz vor den Sommerferien auf ein Maßnahmenpaket geeinigt. „Wir haben in der Finanzkommission gleich mehrere große Knoten durchschlagen“, sagte Präsident Peter Kurz und betonte das große finanzielle Engagement von Gemeinden, Städten und Landkreisen: „Die Kommunen haben von sich aus eine intensive finanzielle Beteiligung an großen Zukunftsaufgaben des Landes angeboten. Das Land investiert rund eine Milliarde Euro, die Städte, Gemeinden und Landkreise beteiligen sich mit rund 600 Millionen Euro an der Finanzierung. Sie leisten damit einen erheblichen Beitrag aus der kommunalen Steuermasse, um die Verkehrsinfrastruktur auf Schiene und Straße zu fördern, und so den bisherigen Landesanteil zu verdoppeln. Im Gegenzug beteiligt sich das Land in erheblichem Maße an den Gemeinschaftsaufgaben und leitet nicht nur die Bundesmittel weiter. Auch bei der Digitalisierung der Schulen kommen wir einen großen Schritt weiter, um mit einer pauschalierten Anschubförderung die Zeit bis zum angekündigten Bundesprogramm für dieses wichtige Zukunftsthema zu überbrücken.“
 
Ein großer finanzieller Beitrag aus der kommunalen Steuermasse geht in die Finanzierung der großen Förderprogramme, deren genaue Ausformulierung nun als nächstes auf der Tagesordnung steht.
So soll aus Sicht des Städtetags das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) in einigen Punkten angepasst werden: die Förderquote soll erhöht werden und die Förderung bei der Beschaffung von Schienenfahrzeugen sowie beim Bau und der Sanierung der Betriebshöfe müsse wieder mit Geld hinterlegt werden, so die Vertreter des Verbandes.
 
Bei der Kinderbetreuung wird die Förderung von der bestehenden Festbetragsförderung pro Kopf hin zu einer prozentualen Förderung gehen.
 
Bei der Digitalisierung der Schulen haben die Kommunen erfreulicherweise ihre Vorstellung durchsetzen können, eine pauschalierte Förderung für Investitionen im Rahmen der Multimediaempfehlungen zu bekommen. Kurz: „Die Hälfte des zur Verfügung stehenden Geldes muss noch dieses Jahr im Haushalt zur Verfügung stehen – unabhängig davon, ob der Bund das hinterher anerkennt oder nicht, damit die Kommunen bis zur Beschlussfassung ihrer Haushalte 2019 wissen, womit sie rechnen und planen können. Wir sind sehr froh, dass das Land die getroffenen Vereinbarungen nun zügig umsetzt und bereits erste Gesetzentwürfe erarbeitet.“
 
Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)
Nach den abgeschlossenen Finanzverhandlungen muss auch das BTHG weiter konkretisiert werden. Mit dem neuen bundesgesetzlichen Rahmen ist bei der gesellschaftlichen Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen nicht weniger als ein Paradigmenwechsel vorgesehen: Weg von einer Förderung von Hilfeeinrichtungen und reiner Betreuung und Fürsorge, hin zur Förderung der Potentiale – ergo: nicht das sehen, was „fehlt“, sondern die gegebenen Fähigkeiten unterstützen und jeden einzelnen Menschen in seinen Teilhabemöglichkeiten individuell stärken. Der Ansatz ist neu und noch nicht für alle greifbar, dazu müssen nun die notwendigen Mittel bereitgestellt und strukturelle Weiterentwicklungen in der Behindertenhilfe vorangebracht werden.
 
„Beim neuen Teilhaberecht geht es auch darum, wie sich unsere Gesellschaft mit Beeinträchtigung und mit Vielfalt auseinandersetzt“, sagte Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, „dazu gehören nach unserer Auffassung ganz praktisch auch die Stadt- und Quartiersentwicklung und die inklusiven Quartiere sowie die Frage: Wie wird das Individuum in die Gesellschaft eingebunden und wie wirkt sich das finanziell aus?“
 
Der Städtetag bringt sich nicht nur in gesetzliche Neuregelungen ein, sondern wie beim Quartier 2020 auch in quartiersübergreifende und interdisziplinäre Ansätze der Stadtentwicklung, Gudrun Heute-Bluhm: „Einige Städte haben sich bereits auf den Weg gemacht, neue Stadtteile zu bauen, in denen sich die Menschen über eine längere Spanne ihres Lebens zu Hause fühlen können. Ulm und Mannheim mit ihren Quartieren Eselsberg und Franklin sind Beispiele, wie dabei auch die Potentiale der Digitalisierung von der Mobilität bis zur häuslichen Pflege nutzbar gemacht werden können.“
  
 



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