Kommunen wollen mehr
finanzielle Gestaltungsfreiheit
Am Mittwoch, 23. November 2016, findet die zweijährliche Hauptversammlung
des Städtetags Baden-Württemberg statt. In Mannheim kommen knapp 600
Bürgermeister, Oberbürgermeister, Gemeinderäte und weitere
Teilnehmer zusammen.
Das jüngste und zugleich momentan wichtigste Thema steht für die
Kommunen und ihre Vertreter immer noch ganz oben auf der Agenda: die Finanzen
und das in der Gemeinsamen Finanzkommission erzielte Ergebnis der
Finanzzuweisung für die Kommunen.
Wir haben ein Ergebnis für die Finanzierung der kommunalen Aufgaben
gefunden. Grundsätzliche Einsicht in die Notwendigkeit, die kommunale
Aufgabenerfüllung stärker zu unterstützen, konnten wir aber
nicht erkennen, bedauerte Städtetagspräsidentin Barbara Bosch,
Oberbürgermeisterin von Reutlingen. Das Land habe über weite Strecken
argumentiert, den Kommunen gehe es besser als dem Land, weil sie weniger
Schulden haben. Das sei jedoch eine schiefe Wahrnehmung: Die Kommunen
haben seit 50 Jahren eine Schuldenbremse, die zumindest in
Baden-Württemberg auch vom Land streng durchgesetzt und überwacht
wird. Auch wenn wir das nun gefundene Ergebnis als Gesamtpaket mittragen,
müssen wir feststellen, dass es die finanzschwächeren Kommunen und
die großen Städte mit ihren Soziallasten besonders hart trifft, wenn
gerade beim Finanzausgleich eingegriffen wird. Als Beispiele nannte sie
Freiburg im Breisgau und Pforzheim: Freiburg verliert durch die Erhöhung
des Vorwegabzugs voraussichtlich 5 bis 6 Millionen Euro, Pforzheim muss mit 4
Millionen Euro weniger auskommen. Für Schwäbisch Gmünd bedeutet
das Ergebnis ein Minus von 2,6 Millionen Euro.
Wohnungsbau Wohnraumallianz
Als gut unterwegs bezeichnete Präsidentin Bosch den
Städtetag und das Land mit Blick auf mehr Wohnraum. In den Arbeitsgruppen
zeichnet sich für die Wohnraumförderung eine Verbesserung ab. Ein
greifbares Ergebnis fehle aber bislang insbesondere beim
Flächenmanagement: Für den schwierigen Ausgleich von
Siedlungsflächenentwicklung und Artenschutz brauchen wir eine praktikable
Handreichung. Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes
Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, erinnert an die
Vorschläge in dem mit anderen Partnern erarbeiteten Positionspapier
Drei Säulen für mehr Wohnraum und das gemeinsame
Eckpunktepapierfür ein Wohnungsbaubeschleunigungsgesetz, welches in
wesentlichen Punkten in die Koalitionsvereinbarung Eingang gefunden hat.
Vom Bund erwarten wir, dass die mietrechtlichen Vorschriften ausgewogener
gestaltet werden und das Ministerium für ländlichen Raum ist neben
dem Wirtschaftsministerium bei der Wohnraumförderung im ländlichen
Raum gefordert. Schulsanierung
Baden-Württemberg befindet sich im größten Umbruch seiner
Schullandschaft seit Bestehen des Landes. Früher stand der Neubau von
Schulgebäuden ganz im Fokus, weil eine stetig und stark wachsende
Schülerzahl zu versorgen war. Da diese Wachstumszeiten vorbei sind, liegt
der Schwerpunkt nun bei der Schulbaumodernisierung.
Die kommunalen Schulträger stehen vor neuen Herausforderungen: Umwandlung
des Schulsystems, Ganztagsschulen, Gemeinschaftsschulen, Inklusion an Schulen,
die Umsetzung der umfassenden Bildungsplanreform 2016 und die Digitalisierung
des Unterrichts sind nur die wichtigsten Veränderungen und gleichzeitig
Herausforderungen. Auf drei bis vier Milliarden Euro beläuft sich der
Schulbaumodernisierungsstau im Land nach Berechnungen des Städtetags
für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Ein Beispiel: Die Stadt
Schwäbisch Gmünd hat in den vergangenen fünf Jahren rund 18
Millionen Euro in die Modernisierung ihrer Schulen gesteckt.
Wir können nicht akzeptieren, dass das Land hier immer nur die
Verantwortung der Schulbauträger für die angebliche unterlassene
Bauunterhaltung vorschiebt. Die immensen Anforderungen durch Brandschutz,
Klimaschutz und Barrierefreiheit lassen nahezu jede Modernisierung zu einer
Grundsanierung werden, ergänzt Gudrun Heute-Bluhm.
Wenn das Land nun seinen Sanierungstopf für die Kommunen
öffnet, ist das ein Anfang, aber kein Ersatz für ein umfassendes
Schulbaumodernisierungsprogramm, bekräftigt Barbara Bosch, wir
begrüßen dies als Einstieg in ein Landesprogramm.
ÖPNV
Ein Thema, das schon bei der Hauptversammlung 2014 angesprochen wurde, ist eine
Nachfolgeregelung für das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
(LGVFG). Der Städtetag hat das Land in den vergangenen Jahren vielfach
aufgefordert, eine Nachfolgeregelung zu schaffen, da der Bund nur noch bis 2019
jährlich 165 Millionen Euro für die kommunale Verkehrsinfrastruktur
in Baden-Württemberg zur Verfügung stellt.
Inzwischen haben Bund und Länder dazu eine Vereinbarung getroffen. Diese
sichert dem Land die bisherigen Mittel auch über 2020 hinaus: Die Position
des Städtetags dazu ist klar und eindeutig: Wir erwarten vom Land
eine klare Aussage, dass diese Mittel in der Verantwortung des Landes weiter
bereitgestellt werden.
Daneben fordert der Städtetag seit langem die Anhebung des
Gesamtfördervolumens des LGVFG. Diese dürfe sich nicht nur auf den
Straßenbau beziehen wie im Koalitionsvertrag geschehen, sondern auf den
gesamten Förderbereich des LGVFG, insbesondere auf die investiven
Maßnahmen im ÖPNV. Ein erster Einstieg wäre ein
Sonderprogramm für die Beschaffung von Schienenfahrzeugen, dafür sind
in den Nebenabreden 25 Millionen Euro strukturell vorgesehen,
erklärte Gudrun Heute-Bluhm.
Das wäre ein Einstieg, der aber wohl im bisherigen Haushaltsentwurf
nicht vorgesehen ist. Diese Förderung ist zwar als Tatbestand im Gesetz
angelegt, aber seit vielen Jahren nicht mit Fördermitteln hinterlegt.
Für den Ausbau des ÖPNV ist die Schienenfahrzeugförderung aber
unerlässlich.
Zusätzlich müsse die Förderung für den barrierefreien
Ausbau der Bushaltestellen deutlich angehoben werden: Für die gesetzlich
geforderten Maßnahmen sind allein in der Stadt Stuttgart und nur für
Bushaltestellen 20 Millionen Euro erforderlich.
Integration
Das Thema, das die Städte und Gemeinden in den letzten beiden Jahren am
intensivsten und am vielfältigsten beschäftigt hat, war die
Unterbringung der Flüchtlinge. Politik, Verwaltung, Ehrenamt
sie alle haben vor Ort Unglaubliches geleistet, lobte Barbara Bosch das
Engagement vor Ort. Inzwischen sind die Feldbetten aus den Turnhallen
wieder verschwunden. Jetzt heißt es, in der Anschlussunterbringung die
Neuankömmlinge in unsere Gesellschaft zu integrieren und Wege zu finden,
damit Zusammenleben gelingt.
Im Rahmen der Finanzverhandlungen der letzten Wochen hat der Städtetag
auch über die finanziellen Eckdaten des Paktes für Integration
verhandelt. Nun gehe es um die Inhalte und die konkreten Vorgaben für die
Förderprogramme.
Wichtig ist hier eine schnelle Zusage des Landes, dass es unschädlich
für die Förderung ist, wenn vor Ort gehandelt wird und die
Förderrichtlinien und die konkreten Anträge erst später kommen.
Alles andere wäre in diesem Thema ungerecht, da das Geld ja vom Bund
bereitgestellt wird.
Wichtig war den Vertreterinnen des Städtetags außerdem: Neben
den Neuankömmlingen dürfen wir diejenigen nicht vergessen, die schon
länger hier leben, aber auch noch nicht in unsere Gesellschaft integriert
sind sie müssen wir bei den Angeboten, die wir machen, ebenfalls
berücksichtigen. Inklusive Quartiere
Barbara Bosch und Gudrun Heute-Bluhm stellten außerdem kurz das neue,
interdisziplinär ausgerichtete Projekt des Städtetags vor:
Inklusive Quartiere Umgang mit Anderem im Lebensraum Stadt
ist ein Projekt, um nach Formen und Wegen zu suchen, Inklusion beim Bauen,
Wohnen und Zusammenleben Wirklichkeit werden zu lassen. Die Kernfrage, auf die
das neue Pilotprojekt Antworten sucht, heißt: Wie wollen wir in
Zukunft zusammen leben?
Digitale Agenda des Landes und der Kommunen
Städte im Spannungsfeld zwischen Zuwanderung und Smart City
lautet der Titel der diesjährigen Hauptversammlung. Digitalisierung ist
das Thema der Zukunft eines, das in die verschiedensten Bereiche
hineinspielt: Technik und ihre Umsetzung, Bildung, Wissenschaft und Verwaltung.
Das Land hat sich im Koalitionsvertrag zwei politische Schwerpunkte
vorgenommen. Zu einem dieser Schwerpunkte der Haushaltskonsolidierung
des Landes müssen die Kommunen überproportional beitragen,
indem sie durch den erhöhten Vorwegabzug herangezogen werden.
Für den zweiten Schwerpunkt, als Projekt digital@bw
ausgewiesen, will die Landesregierung in dieser Legislatur mit dem sogenannten
Digitalisierungspaket 325 Millionen Euro bereitstellen: einmalig,
wie es dazu in den Nebenabreden heißt, sagt Gudrun Heute-Bluhm.
Für die Kommunen ist die Breitbandverkabelung existentiell wichtig
der Städtetag setzt sich daher schon nach Kräften dafür
ein. Dasselbe wünschen wir uns vom Ministerpräsidenten gemeinsam mit
dem für Digitalisierung zuständigen Innenministerium.
Weitere entscheidende Bausteine für gelingende Digitalisierung seien die
digitale Infrastruktur in den Schulen, funktionierendes E-Government in den
Verwaltungen sowie Datensicherheit und Datenschutz.
Hauptversammlung
Die Hauptversammlung ist das oberste Organ des Städtetags
Baden-Württemberg und wird von der Präsidentin des Städtetags
alle zwei Jahre durch schriftliche Einladung an alle 185 Mitgliedstädte
einberufen. Zusammensetzung
Die Hauptversammlung besteht aus den Oberbürgermeister/-innen/ und
Bürgermeister/-innen der Mitgliedstädte oder deren
Stellvertreter/-innen sowie aus weiteren Mitgliedern aus den Gemeinderäten
der Mitgliedstädte.
Zuständigkeiten
- Beschlussfassungen über die Satzung des Städtetags
- Entlastung des Vorstands und des Geschäftsführenden
Vorstandsmitglieds
- Beschlussfassung über Anträge aus der Mitte der Hauptversammlung
- Beschlussfassung über Vorschläge des Vorstands
- Beschlussfassung über die Auflösung des Städtetags
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