Erstes Zwischenfazit aus Sicht des Städtetags Baden-Württemberg
Stuttgart.
Die grün-schwarze Landesregierung ist fast 100 Tage im Amt und muss sich
einer ersten Bewertung stellen. "In den Gesprächen reklamieren die
Mitglieder der neuen Koalition für sich eine besonders kommunalfreundliche
Haltung", berichtet Oberbürgermeisterin Barbara Bosch,
Präsidentin des Städtetags Baden-Württemberg. "An diesem
Anspruch muss sich die Regierung messen lassen, und zwar über den
Koalitionsvertrag hinaus. Nebenabreden zum Koalitionsvertrag machen ihn nicht
unbedingt glaubwürdiger, zeigen aber immerhin, welchen Stellenwert die
vertraglich vereinbarten Schwerpunkte haben sollen."
Kommunen und Beamte sehen sich derzeit als die vorrangigen Adressaten der
Einsparbemühungen der neuen Landesregierung. 430 Millionen Euro sollen sie
zum Einsparziel des Landes beitragen, ein Drittel der Ausgaben, die durch
Nebenabreden zum Koalitionsvertrag als Mehrausgaben unter keinem
Haushaltsvorbehalt stehen.
Das Land kann nicht kommunale Sparbeiträge verlangen und hinten herum
dieses Geld für andere Zwecke ausgeben, jedenfalls nicht mit dem
Städtetag, so Barbara Bosch.
Seit langem fordert der Städtetag, die Integrationskosten für die
Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zu erstatten.
Der Städtetag erwartet daher nun endlich die versprochene Beteiligung des
Landes an den Kosten der Integration: Vor der Wahl hatte es noch die
Zusage für einen Pakt für Integration gegeben leider liegen
noch immer keine inhaltlichen Eckpunkte vor.
Die vom Land zugesagte Verlängerung der Finanzierung von kommunalen
Integrationsbeauftragten muss verstetigt werden, um in den Städten
Planungssicherheit zu haben", unterstrich Barbara Bosch. Dies könne
überdies nur ein Teil des Bedarfs abdecken. Insbesondere für die
Aufnahme der Flüchtlingskinder in den Kindertagesstätten fehle es an
Kapazitäten.
Ein weiteres wichtiges Themenfeld, in dem dringend konkrete und
verlässliche Zusagen und Maßnahmen vonnöten sind, ist der
Wohnungsbau. Positiv sieht der Städtetag, dass in den Nebenabreden zum
Koalitionsvertrag ein erhöhtes Fördervolumen von 250 Millionen Euro
für die Wohnraumförderung vorgesehen ist, mahnt aber verbesserte
Rahmenbedingungen an: "Vorschläge für eine effiziente
Zuschussförderung und vereinfachte Verfahren für die Ausweisung von
Flächen haben wir in unserem Eckpunktepapier für ein
Wohnbaubeschleunigungsgesetz bereits gemacht", sagte Präsidentin
Bosch: "Wir müssen die öffentliche soziale Wohnbauförderung
neu aktivieren und wir brauchen neue Anreize für private Investoren, um
sich als Bauherren zu engagieren." Auch an einer vereinfachten
Flächenausweisung müsse gearbeitet werden. Die weiteren Verhandlungen
werden zeigen, ob die bisher noch vagen Zusagen des neu zuständigen
Wirtschaftsministeriums geeignet sind, die Lage am Wohnungsmarkt zu verbessern.
"Enttäuschend" nannte der Städtetag die Tatsache, dass es
kein eigenes Förderprogramm für die Schulbausanierung gebe - bei
einem Sanierungsstau von 3 Milliarden Euro: "Die ständig steigenden
Anforderungen an Brandschutz und Energieeinsparung haben nicht die Kommunen zu
verantworten, deshalb können sie die auch nicht alleine finanzieren. Aber
leider sehen wir in der Sache keine Bewegung", bedauerte Gudrun
Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags
Baden-Württemberg.
Positiv sieht sie beim Thema Schulen den angekündigten Ganztagsgipfel, um
den Ausbau der Ganztagsschule voran zu bringen. "Es wäre
außerdem schön, wenn wir auch bald noch zu unbürokratischeren
Finanzierungsformen bei den Grundschulen kommen würden."
Das Augenmerk des Städtetags lag auch auf der Verkehrsfinanzierung. Dass
Schienenfahrzeuge nun wieder finanziert werden, wird positiv aufgenommen. Ein
Minus gab es allerdings, weil Sanierung und Neubau der Schieneninfrastruktur
nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Beim Thema Digitalisierung sehe sie konkrete Ansätze, sagt Gudrun
Heute-Bluhm, "nun hoffen wir auf die Unterstützung des
Innenministeriums für die Fusion der kommunalen Rechenzentren und eine
gute Kooperation beim Aufbau neuer Serviceportale, um den Bürgerinnen und
Bürgern schnellen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen anbieten zu
können." Der Städtetag bietet der Landesregierung an, aktiv an
der Verwirklichung von digital@bw mitzuarbeiten und wünscht sich hierzu
ein gemeinsam mit den Kommunen erarbeitetes Aktionsprogramm.