Der Städtetag begrüßt die Beschlüsse des
Koalitionsausschusses und die ersten Arbeitsergebnisse der Lenkungsgruppe des
Landes. Weitere Anpassungen sind jedoch aus Sicht der Städte dringend
notwendig.
Jeden Tag kommen Tausende Flüchtlinge in Deutschland an. Die Politik ringt
um Lösungen und hat unter dem Eindruck der Massenfluchtbewegung aus
Syrien und der inhumanen Behandlung der Flüchtlinge wegweisende
Beschlüsse gefasst, die vom Städtetag Baden-Württemberg
begrüßt werden. Das vom Koalitionsausschuss geschnürte
Maßnahmenpaket ist ein erster Meilenstein einer Flüchtlingspolitik,
die der dramatischen Situation angemessen ist, so Barbara Bosch,
Präsidentin des Städtetags Baden-Württemberg und
Oberbürgermeisterin von Reutlingen. Das Paket biete eine gute Grundlage
für die Umsetzung der Beschlüsse, die die von Landesregierung
eingesetzte Lenkungsgruppe unter Mitwirkung der Kommunalen Landesverbände
zur Erstunterbringung in Baden-Württemberg gefasst hat.
Es ist von zentraler Bedeutung und entspricht dem praktischen Handeln in
unseren Städten, die aus den vom Bürgerkrieg geschüttelten
Krisenländern kommenden Menschen ohne unnötige bürokratische
Hürden willkommen zu heißen, so Barbara Bosch. Gleichzeitig
muss aber auch deutlich gemacht werden, dass Menschen aus sicheren
Herkunftsstaaten bei uns nicht Asyl erhalten können, sondern in einer
geregelten Einwanderung einen Arbeitsplatz suchen können. Aus kommunaler
Sicht bedarf es hierzu einer klaren gesetzlichen Regelung.
Die syrischen Flüchtlinge und andere voraussichtlich Bleibeberechtigte
müssen schnell registriert und in die Städte und Gemeinden gebracht
werden, in denen sie integriert werden können. Gleichzeitig ist
sicherzustellen, dass die Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten in den
dafür ausgeweiteten Landeserstaufnahmeeinrichtungen verbleiben, ein
schnelles Rechtsverfahren erhalten und zügig direkt von dort
zurückgeführt werden. Der Städtetag begrüßt, dass die
Lenkungsgruppe für Baden-Württemberg dies nun so umsetzen will. Es
ist gleichzeitig ein Beitrag, um die Attraktivität Deutschlands als
Aufnahmeland im Verhältnis zu seinen europäischen Nachbarn zu
steuern.
Richtig und dringend notwendig ist, dass der Bund die Voraussetzungen für
die schnelle Bearbeitung der Asylanträge schaffen will. Hierzu müssen
die notwendigen Stellen geschaffen und auch besetzt werden. Es verdient
hohe Anerkennung, dass die Mitarbeitenden der Kommunen und auch des Landes
große Belastungen durch Überstunden auf sich nehmen, wenn die
Flüchtlinge am Freitagnachmittag, nachts und am Wochenende in den
Städten und Gemeinden und zuvor des Erstaufnahmestellen ankommen.
Selbstverständlich sollte dasselbe Engagement auch von den
Bundesbehörden erbracht werden, so Bosch.
Die mit hoher Wahrscheinlichkeit Bleibeberechtigten sollen übergangsweise
auch ohne Antragstellung direkt nach der gesundheitlichen und
erkennungsdienstlichen Behandlung in die Stadt- und Landkreise verteilt werden.
Bis entsprechende Rechtsregelungen angepasst werden, damit die Anhörung
beschleunigt wird, kann dies auch faktisch erfolgen. Schon bisher werden die
Flüchtlinge ja einfach "verteilt", wenn kein Platz mehr in den
Landeserstaufnahmeeinrichtungen ist.
Die Städte begrüßen, dass das Land nun eine zügige
Durchführung aller notwendigen Verfahrensschritte in vier zentralen
Landeserstaufnahmeeinrichtungen anstrebt.
Dies ist gleichermaßen Voraussetzung dafür, dass die geplanten
Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen ausreichen, um die Verfahren der
nicht bleibeberechtigten Zuwanderer schnell abzuschließen. Es bleibt zu
prüfen, ob auch die Verwaltungsgerichte dort Außenstellen einrichten
oder entsprechend dem Bedarf ausreichende Sprechtage dort einrichten, damit
die Gerichtsverfahren ebenfalls umgehend abgeschlossen werden können.
In der Lenkungsgruppe wurde beschlossen, dass Einrichtungen des Bundes und des
Landes, die sich für die Unterbringung von vielen Flüchtlingen
eignen, auch dann zumindest für begrenzte Zeiträume dafür
genutzt werden, wenn dies zunächst den kommunalen Planungen entgegensteht.
Die Städte erwarten hierfür ein erkennbares Bemühen des Landes
um einen sinnvollen Standortausgleich, soweit dies nicht durch
zahlenmäßige Anrechnung bei den Zuweisungsquoten erfolgen kann.
Darüber hinaus fordern die Städte stärkere Unterstützung
von Bund und Land bei der Integration der Flüchtlinge. Auch hier bilden
die Beschlüsse des Koalitionsausschusses und der Landesregierung eine gute
Basis, reichen indessen nicht aus.
Die finanzielle Unterstützung des Bundes muss sich orientieren an den
für das Land ermittelten Flüchtlingspauschalen, aber nicht nur
für die vorläufige Unterbringung bis zur Anerkennung, sondern
für den gesamten Aufenthalt eines Flüchtlings, bis er sich selbst
versorgen kann.
Zudem werden bisher weder die Kosten der Betreuung in der
Anschlussunterbringung noch die Sozialhilfeaufwendungen für anerkannte
Asylbewerber oder geduldete Flüchtlinge in Baden-Württemberg
erstattet. Die Städte wenden hierfür Millionenbeträge aus
eigenen Haushaltsmitteln auf. Im Durchschnitt sind es knapp 8.000
pro Flüchtling
im Jahr für Unterkunft und Lebensunterhalt, zuzüglich etwaiger
Betreuungsaufwendungen, wofür eine Großstadt Millionenbeträge
aufbringt.
Insbesondere in den kleineren Städten wird ein Großteil der
Betreuung durch ehrenamtliche Netzwerke ge
leistet. Hier hat das Land einen wichtigen Schritt getan mit dem
Förderprogramm "Gemeinsam in Vielfalt". Dieses muss jedoch im
Volumen mindestens verdreifacht werden, um alle Netzwerke fördern zu
können. Besser wäre es insbesondere für die größeren
Städte, wenn auch hier eine personenbezogene Pauschale geleistet
würde.
Wichtiger Teil der Integration sind die Sprachförderung und die
Möglichkeit der beruflichen Ausbildung und der frühzeitigen
Arbeitsaufnahme. Es entspricht kommunalen Forderungen, wie vom
Koalitionsausschuss beschlossen, sowohl die Mittel für die Sprachkurse
als auch für die berufliche Integration zu erhöhen - zusätzlich
zu den bereitgestellten 6 Mrd. Euro.
Der Bund will künftig Länder und Kommunen im sozialen Wohnungsbau
unterstützen und steuerliche Anreizsysteme schaffen. Dies ist aus
kommunaler Sicht dringend geboten und wurde vom Städtetag bereits im
Frühjahr eingefordert. Der Verband wird das zuständige
Wirtschaftsministerium unterstützen und gemeinsam mit Architektenkammer
und dem Verband der Wohnungswirtschaft Konzepte vorstellen, die eine
Integration der Flüchtlinge in das bewährte System des sozialen
Wohnungsbaus ermöglichen.
Die Städte begrüßen schließlich die Absicht der
Bundeskanzlerin, auf europäischer Ebene für eine faire Verteilung zu
sorgen. Die Beschlüsse des Wochenendes zeigen, dass die Bundesrepublik
zuerst die eigenen Möglichkeiten ausschöpft, um dann auch ein faires
Verhalten anderer EU-Partner einzufordern. Auch die Festlegung sicherer
Drittstaaten muss eine europäisch
e Entscheidung sein, getragen von der gemeinsamen Werteüberzeugung.
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