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P 228/2015 Az.: 047.43; ST110 / Beschlüsse des Koalitionsausschusses und die ersten Arbeitsergebnisse der Lenkungsgruppe des Landes (11.09.2015)

PRESSEMITTEILUNG Geschäftsführendes  
Vorstandsmitglied

Bearbeiterin
Gudrun Heute-Bluhm
 
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Az
047.43 - P 228/2015 · GV/cs
 

10.09.2015

 

Der Städtetag begrüßt die Beschlüsse des Koalitionsausschusses und die ersten Arbeitsergebnisse der Lenkungsgruppe des Landes. Weitere Anpassungen sind jedoch aus Sicht der Städte dringend notwendig.
 
Jeden Tag kommen Tausende Flüchtlinge in Deutschland an. Die Politik ringt um Lösungen und hat unter dem Eindruck der Massenfluchtbewegung aus Syrien und der inhumanen Behandlung der Flüchtlinge wegweisende Beschlüsse gefasst, die vom Städtetag Baden-Württemberg begrüßt werden. „Das vom Koalitionsausschuss geschnürte Maßnahmenpaket ist ein erster Meilenstein einer Flüchtlingspolitik, die der dramatischen Situation angemessen ist“, so Barbara Bosch, Präsidentin des Städtetags Baden-Württemberg und Oberbürgermeisterin von Reutlingen. Das Paket biete eine gute Grundlage für die Umsetzung der Beschlüsse, die die von Landesregierung eingesetzte Lenkungsgruppe unter Mitwirkung der Kommunalen Landesverbände zur Erstunterbringung in Baden-Württemberg gefasst hat.
 
„Es ist von zentraler Bedeutung und entspricht dem praktischen Handeln in unseren Städten, die aus den vom Bürgerkrieg geschüttelten Krisenländern kommenden Menschen ohne unnötige bürokratische Hürden willkommen zu heißen“, so Barbara Bosch. Gleichzeitig muss aber auch deutlich gemacht werden, dass Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten bei uns nicht Asyl erhalten können, sondern in einer geregelten Einwanderung einen Arbeitsplatz suchen können. Aus kommunaler Sicht bedarf es hierzu einer klaren gesetzlichen Regelung.
 
Die syrischen Flüchtlinge und andere voraussichtlich Bleibeberechtigte müssen schnell registriert und in die Städte und Gemeinden gebracht werden, in denen sie integriert werden können. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten in den dafür ausgeweiteten Landeserstaufnahmeeinrichtungen verbleiben, ein schnelles Rechtsverfahren erhalten und zügig direkt von dort zurückgeführt werden. Der Städtetag begrüßt, dass die Lenkungsgruppe für Baden-Württemberg dies nun so umsetzen will. Es ist gleichzeitig ein Beitrag, um die Attraktivität Deutschlands als Aufnahmeland im Verhältnis zu seinen europäischen Nachbarn zu steuern.
 
Richtig und dringend notwendig ist, dass der Bund die Voraussetzungen für die schnelle Bearbeitung der Asylanträge schaffen will. Hierzu müssen die notwendigen Stellen geschaffen und auch besetzt werden. „Es verdient hohe Anerkennung, dass die Mitarbeitenden der Kommunen und auch des Landes große Belastungen durch Überstunden auf sich nehmen, wenn die Flüchtlinge am Freitagnachmittag, nachts und am Wochenende in den Städten und Gemeinden und zuvor des Erstaufnahmestellen ankommen. Selbstverständlich sollte dasselbe Engagement auch von den Bundesbehörden erbracht werden“, so Bosch.
 
Die mit hoher Wahrscheinlichkeit Bleibeberechtigten sollen übergangsweise auch ohne Antragstellung direkt nach der gesundheitlichen und erkennungsdienstlichen Behandlung in die Stadt- und Landkreise verteilt werden. Bis entsprechende Rechtsregelungen angepasst werden, damit die Anhörung beschleunigt wird, kann dies auch faktisch erfolgen. Schon bisher werden die Flüchtlinge ja einfach "verteilt", wenn kein Platz mehr in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen ist.
 
Die Städte begrüßen, dass das Land nun eine zügige Durchführung aller notwendigen Verfahrensschritte in vier zentralen Landeserstaufnahmeeinrichtungen anstrebt.
 
Dies ist gleichermaßen Voraussetzung dafür, dass die geplanten Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen ausreichen, um die Verfahren der nicht bleibeberechtigten Zuwanderer schnell abzuschließen. Es bleibt zu prüfen, ob auch die Verwaltungsgerichte dort Außenstellen einrichten oder entsprechend dem Bedarf ausreichende Sprechtage dort einrichten, damit die Gerichtsverfahren ebenfalls umgehend abgeschlossen werden können.
 
In der Lenkungsgruppe wurde beschlossen, dass Einrichtungen des Bundes und des Landes, die sich für die Unterbringung von vielen Flüchtlingen eignen, auch dann zumindest für begrenzte Zeiträume dafür genutzt werden, wenn dies zunächst den kommunalen Planungen entgegensteht. Die Städte erwarten hierfür ein erkennbares Bemühen des Landes um einen sinnvollen Standortausgleich, soweit dies nicht durch zahlenmäßige Anrechnung bei den Zuweisungsquoten erfolgen kann.
 
Darüber hinaus fordern die Städte stärkere Unterstützung von Bund und Land bei der Integration der Flüchtlinge. Auch hier bilden die Beschlüsse des Koalitionsausschusses und der Landesregierung eine gute Basis, reichen indessen nicht aus.
 
Die finanzielle Unterstützung des Bundes muss sich orientieren an den für das Land ermittelten Flüchtlingspauschalen, aber nicht nur für die vorläufige Unterbringung bis zur Anerkennung, sondern für den gesamten Aufenthalt eines Flüchtlings, bis er sich selbst versorgen kann.
 
Zudem werden bisher weder die Kosten der Betreuung in der Anschlussunterbringung noch die Sozialhilfeaufwendungen für anerkannte Asylbewerber oder geduldete Flüchtlinge in Baden-Württemberg erstattet. Die Städte wenden hierfür Millionenbeträge aus eigenen Haushaltsmitteln auf. Im Durchschnitt sind es knapp 8.000 € pro Flüchtling im Jahr für Unterkunft und Lebensunterhalt, zuzüglich etwaiger Betreuungsaufwendungen, wofür eine Großstadt Millionenbeträge aufbringt.
 
Insbesondere in den kleineren Städten wird ein Großteil der Betreuung durch ehrenamtliche Netzwerke ge leistet. Hier hat das Land einen wichtigen Schritt getan mit dem Förderprogramm "Gemeinsam in Vielfalt". Dieses muss jedoch im Volumen mindestens verdreifacht werden, um alle Netzwerke fördern zu können. Besser wäre es insbesondere für die größeren Städte, wenn auch hier eine personenbezogene Pauschale geleistet würde.
 
Wichtiger Teil der Integration sind die Sprachförderung und die Möglichkeit der beruflichen Ausbildung und der frühzeitigen Arbeitsaufnahme. Es entspricht kommunalen Forderungen, wie vom Koalitionsausschuss beschlossen, sowohl die Mittel für die Sprachkurse als auch für die berufliche Integration zu erhöhen - zusätzlich zu den bereitgestellten 6 Mrd. Euro.
 
Der Bund will künftig Länder und Kommunen im sozialen Wohnungsbau unterstützen und steuerliche Anreizsysteme schaffen. Dies ist aus kommunaler Sicht dringend geboten und wurde vom Städtetag bereits im Frühjahr eingefordert. Der Verband wird das zuständige Wirtschaftsministerium unterstützen und gemeinsam mit Architektenkammer und dem Verband der Wohnungswirtschaft Konzepte vorstellen, die eine Integration der Flüchtlinge in das bewährte System des sozialen Wohnungsbaus ermöglichen.
 
Die Städte begrüßen schließlich die Absicht der Bundeskanzlerin, auf europäischer Ebene für eine faire Verteilung zu sorgen. Die Beschlüsse des Wochenendes zeigen, dass die Bundesrepublik zuerst die eigenen Möglichkeiten ausschöpft, um dann auch ein faires Verhalten anderer EU-Partner einzufordern. Auch die Festlegung sicherer Drittstaaten muss eine europäisch e Entscheidung sein, getragen von der gemeinsamen Werteüberzeugung.
 
 
  
 



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