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P 221/2015 Az.: ST720 / Vorstandssitzung des Städtetags am 29. Juni 2015 (07.07.2015)

PRESSEMITTEILUNG Geschäftsführendes  
Vorstandsmitglied

Bearbeiterin
Gudrun Heute-Bluhm
 
E
gudrun.heute-bluhm@staedtetag-bw.de
T 0711 22921-
20
F 0711 22921-42
 
Az
ST720 - P 221/2015 · GV/Z
 

29.06.2015

 

Vorstandssitzung des Städtetags am 29. Juni 2015
 
 
Stuttgart. 
 
In seiner Sitzung am 29. Juni im Stuttgarter Rathaus hat der Vorstand des Städtetags Baden-Württemberg sich unter anderem mit Fragen der Flüchtlingshilfe, mit dem Gesetzesentwurf zur Inklusion an Schulen, zur Abschaffung der Altersobergrenze für Bürgermeister, Beigeordnete und Landräte und abschließend mit der Novelle zur Gemeindeordnung befasst. Ferner geht es um den aktuellen Kita-Streik
 
 

1. Kommunalinvestitionsförderungsgesetz
 
Von den durch Bundesgesetz festgeleg ten Mitteln erhält Baden-Württemberg insgesamt (nur) 248 Mio. €, d.h. ca 7% der Gesamtmittel im Gegensatz beispielsweise zu NRW mit über 13 %.
 
Aus baden-württembergischer Sicht wenig erfreulich ist der Verteilungsschlüssel, der nicht nur nachvollziehbar a uf Arbeitslosenzahlen und Finanzkraft abstellt, sondern auf die Höhe der kommunalen Kassenkredite.
 
Der Städtetag fordert daher, bei künftigen Finanzgesetzen dieser Art nur auf objektive Strukturkriterien abzustellen.
 
Bei der Verteilung der Mittel im Land wurde mit dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen Einigkeit erzielt, dass die Mittel nicht als zusätzliche Fachförderung ausgekehrt werden sollten.
Der Städtetag begrüßt daher, dass nur die dringend erforderliche Breitbandverkabelung durch einen Sonde rtopf von 40 Mio € gefördert werden soll, ansonsten sowohl mit der Dotierung des Ausgleichsstocks in Höhe von weiteren 40 Mio € als auch mit dem danach verbleibenden B etrag von 168 Mio € die weniger leistungsfähigen Kommunen in Baden-Württembeg nach eigene r Priorität im Rahmen der Vorgaben des Bundesgesetzes entscheiden können, in welche Investitionen sie diese Förderung geben wollen.
 
 
2. Abschaffung der Altersobergrenze für Bürgermeister
 
Die Landtagsfraktion FDP/DVP hat einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Altersobergrenze für Bürgermeister, Beigeordnete und Landräte in den Landtag eingebracht. Die bisherige Regelung in der Gemeindeordnung besagt, dass Bewerber für Bürgermeisterwahlen am Wahltag das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. Mit Ablauf des Monats, in dem die Amtsinhaber das 68. Lebensjahr vollenden, sind sie laut Landesbeamtengesetz (§ 36 Abs. 4 und §41 Abs. 2) zu verabschieden. Diese Altersobergrenzen sollen nach Auffassung der FDP ersatzlos gestrichen werden. Die Landesregierung hat sich zu diesem Vorhaben noch nicht abschließend positioniert, sondern die kommunalen Landesverbände angejhört.
 
 
Der Städtetag Baden-Württemberg hat das Thema in seinen Gremien diskutiert. Er empfiehlt, auf die Kappung der letzten Amtszeit zu verzichten und den Amtsinhabern zu ermöglichen, die vor dem 65. Lebensjahr begonnene Amtszeit zu beenden.
 
 
3. Kita-Streik
 
Unter den vielen Themen, die den Städtetag Baden-Württemberg derzeit beschäftigen, steht unter anderem der aktuelle Kita-Streik ganz oben. Erst vor wenigen Wochen hat der Städtetag, der 184 Kommunen in Baden-Württemberg vertritt, eine Eilumfrage unter seiner Mitgliedern durchgeführt. Demnach lag der Anteil der vom Streik betroffenen Städte zum Stichtag 19. Mai bei knapp 65 Prozent, durchschnittlich war in diesen Städten bereits an sechs Betreuungstagen gestreikt worden.
 
Nachdem die Gewerkschaft in der Tarifauseinandersetzung nun den Schlichterspruch abgelehnt hat, ist es aus Sicht des Städtetags umso wichtiger, die nächsten Schritte sorgfältig zu bedenken, damit die Situation nicht eskaliert. Der bisherige Streik hat nach Überzeugung des Städtetags deutlich gemacht, dass sowohl die Öffentlichkeit als auch die Betroffenen selber von den Gewerkschaften offenbar nicht ausreichend informiert wurden, in welchem Umfang die kommunalen Arbeitgeber in den vergangenen Jahren bei der Einstufung und der Bezahlung zugelegt und dadurch ihre Wertschätzung für den Beruf und seine gestiegenen Anforderungen gezeigt haben. Neben diesen Einkommensverbesserungen werden in den meisten Städten beispielsweise auf freiwilliger Basis zudem auch  Weiterbildungsmaßnahmen und Leitungsstunden finanziert, also eine Freistellung vom Gruppendienst zu Gunsten der Leitung einer Kita. Darüber hinaus sind weitere konkrete Verbesserungen angeboten worden, die von der Gewerkschaft bisher nicht aufgenommen worden sind.
 
Bei der Suche nach einer Lösung im Tarifkonflikt müssen die kommunalen Arbeitgeber insbesondere auch auf die Ausgewogenheit mit den übrigen Bereichen des öffentlichen Dienstes achten. Vielen ist offenbar nicht klar, dass die Berufsgruppe der Erzieherinnen wie alle kommunalen Beschäftigten in der Lohnrunde 2014 eine Erhöhung um immerhin 5,7 Prozent bekommen haben. Zudem sind in den vergangenen Jahren durch eine Erweiter ung der verschiedenen Berufsgruppen und Investitionen in ein neues Ausbildungsmodell für die Erziehungsberufe einige Verbesserungen erreicht worden. So bewegen sich die Gehälter derzeit zwischen 2100 € für Kinderpflegerinnen ohne Berufserfahrung und 4450 € für Leitungskräfte. Insgesamt sind die Gehälter für die nach 2005 eingestellten Erzieherinnen und Erzieher um bis zu 33 Prozent gestiegen. Eine pauschale und nicht an konkreten Tätigkeitsmerkmalen orientierte Anhebung der Gehälter wäre den Vergleichsgrupp en nicht zu vermitteln, die ebenfalls für die Gemeinschaft wichtige Aufgaben leisten, angefangen von der Feuerwehr über Sozialämter und auch der allgemeine Verwaltungsdienst.
 
 
4. Novellierung des Kommunalverfassungsrechts
 
Mit der vorgelegten Novelle zur Gemeindeordnung will die grün-rote Landesregierung zahlreichenVeränderungen in der kommunalen Praxis durchsetzen. Sie will Fraktionen im Gemeinderat ausdrücklich zulassen und ihnen starke Rechte geben, z.B. zur Erzwingung von Tagesordnungspunkten für die Gemeinderatssitzungen. Ursprünglich wollte sie die öffentliche Vorberatung in den Ausschüssen zur Regel machen. Nach eigenem Bekunden will sie mit der Absenkung des Quorums für die Bürgerentscheide von 25 auf 20 % die Bürgerbeteiligung stärken.
 
Der Städtetag hat sich ebenso wie der Gemeindetag gegen diese weitreichenden Reformen ausgesprochen, weil sie die Kommunen unnötig gängeln und ihnen Verfahrensweisen zwingend vorschreiben, über deren Sinn vor Ort besser entschieden werden kann. Die Einführung von Bürgerentscheiden in der Bauleitplanung hält er für kontraproduktiv und angesichts der zwingenden Regeln zur Bürgeranhörung im Baugesetzbuch auch für unnötig.
 
In Verhandlungen mit den Regierungsfraktionen konnte der Städtetag erreichen, dass einige besonders schwerwiegende Verstöße gegen die kommunale Selbstverwaltung aus dem Gesetzesentwurf gestrichen werden. So gibt es keinen Zwang zur öffentlichen Vorberatung. Aus der verpflichtenden öffentlichen Vorberatung wurde eine Kann-Bestimmung. Die Einberufung der Gemeinderatssitzung kann nach wie vor nur mit einem Quorum, d.h. einem Sechstel der Stimmen des Gemeinderats verlangt werden. Wichtig für eine bürgernahe und effiziente Verwaltung ist die Zusage, dass künftig die Kommunen in der Hauptsatzung selnst festlegen können, ob die amtlichen Bekanntmachungen im Internet erfolgen sollen.
 
Kein Entgegenkommen zeigten die Regierungsfraktionen bei der Forderung, dieses Quorum auch für die Beantragung eines Tagesordnungspunktes vorzusehen.
 
Der Städtetag hält ungeachtet der gefundenen Einigung in einigen Punkten insbesondere an diesen beiden Forderungen unverändert fest. Aus Sicht des Verbandes legen die Erfahrungen aus einigen Städten nahe, dass die sachorientierte Konsenskultur in baden-württembergischen Städten und in den Gemeinderäten leidet, wenn Minderheitenrechte in Rat oder Bürgerschaft über Gebühr ausgedehnt werden.
 
Es geht dabei nicht, wie verschiedentlich behauptet, um eine Monopolisierung der Macht der Verwaltung, vielmehr eine Balance von Verfahrensrechten.
 
 
5. Inklusion an Schulen
 
Der Vorstand hat begrüßt, dass der nun vorliegende Gesetzesentwurf zum Inklusionsgesetz die Anregungen des Städtetags aufnimmt und damit auch das in der letzten Sitzung des Vorstands postulierte Junktim zwischen einer guten und klaren Regelung im Schulgesetz und den auisgehandelten Finanzierungsregeleungen berücksichtigt.
 
Der Städtetag hatte seine Zustimmung zum in der Sache bereits verhandelten Finanzierungsgesetz daran geknüpft, dass das Schulgesetz klar regelt, wie der Anspruch auf Inklusion ausgestaltet ist. Der Vorstand begrüßt, dass wie gefordert, kein Anspruch auf Zuweisung an eine konkrete Schule und in eine bestimmte Schulart besteht, sondern nur auf die Beschulung in einer allgemeinen Schule. Er begrüßt ferner, dass es keinen Vorrang der Inklusion gibt, sondern allgemeine und inklusive Beschulung nach dem Gesetz gleichrangig sind und damit bis auf weiteres der Bestand der hervorragenden Sonderschulsysems im Land nicht gefährdet sein dürfte.
 
Die ausgehandelte Finanzierungsvereinbarung geht davon aus, dass maximal 28 Prozent der Sonderschüler/innen an allgemeine Schulen wechseln und damit die Inklusionsoption annehmen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf war gegenüber darauf ausgerichtet gewesen, dass die überwiegende Mehrheit der Sonderschüler/innen an allgemeine Schulen wechseln.
 
Der Städtetag hat ursprünglich gefordert, wenigstens für die ersten Jahre der Inklusion Schwerpunktschulen mit dem Ziel festzulegen, an diesen ersten Standorten die Inklusion kraftvoll voranzubringen. Eine solche Aufbauphase, auf die auch andere Bundesländer setzen, hätte die anderen Schulen im Land keinesfalls von der notwendigen Inklusionspflicht, die weiterhin für sämtliche Einrichtungen bestehen bleiben soll. Lediglich die Umsetzung würde auf diesem Weg zunächst auf bestimmte Schulen konzentriert werden. Der Vorstand akzeptiert vor dem Hintergrund der nun klaren Regelung und der eindeutigen Aussagen des Kultusministers, dass die gruppenbezogene Inklusion unter Mitwirkung der Schulträgers im Ergebnis in dieselbe Richtung gehen soll.
 
 
6. Aktuelle Fragen der Flüchtlingshilfe
 
Wie bei nahezu jeder Gremiensitzung des Städtetags befasst sich auch der Vorstand mit aktuellen Fragen der Flüchtlingshilfe.
 
Geeinigt haben sich Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und der Landesregierung bei der Frage der Flüchtlingspauschalen . Dabei konnte eine pragmatische, für die Kommunen auskömmliche Erstattung der Ausgaben vereinbart werden. Diese sieht vor, wie bereits für 2014 auch für das laufende Jahr, eine erneute Plausibiliätsprüfung der Pauschalenhöhe mit rückwirkender Festlegung der Liegenschaftspauschalen vorzunehmenden. Damit ist für die Jahre 2014 und 2015 bezüglich der Liegenschaftskosten ein vollständiger Kostenausgleich gewährleistet. Für die Folgejahre ist offen, ob der Kostenausgleich wie bisher in Form von Pauschalen oder einer Spitzabrechnung erfolgen soll.
 
Beim Thema Gesundheitskosten der Flüchtlinge wurde vereinbart, zunächst das Ergebnis der bundesweiten Bemühungen zur Einführung einer Gesundheitskarte abzuwarten. Sollte dies im Sommer 2015 nicht gelingen, prüft das Land die Einführung einer eigenen Gesundheitskarte. In beiden Fällen wird eine direkte Kostenerstattung zwischen Bund beziehungsweise Land und den gesetzlichen Krankenkassen angestrebt. Sollten beide Lösungen nicht zum Tragen kommen, werden Land und kommunale Seite über eine anderweitige Kostenerstattung verhandeln.
 
Berücksichtigt werden muss dabei, dass die derzeitigen Pauschalen fiktiv von einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge von 18 Monaten ausgehen, also auf einen Zeitraum von 18 Monaten gedeckelt sind. Bayern und die meisten anderen Bundesländer kennen diese Decklung nicht, sondern bezahlen nach konkreter Aufenthaltsdauer und schließen dabei auch die geduldeten Flüchtlinge ein, wenn sie nach Abschluss des Asylverfahrens nicht abgeschoben werden.
 
Der Städtetag fordert, dass dies bei der künftigen Pauschale ebenfalls berücksichtigt wird. Derzeit ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer deutlich höher und geduldete Personen werden nicht berücksichtigt, obwohl die Städte und Gemeinden keinerlei Einfluss auf die Dauer des Asylverfahrens nd die Abschiebung haben.
 
 
 
Hier muss schnellstens Abhilfe geschaffen werden durch
 
Einstellung der vom Bund zugesagten Entscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
durch Einstellung von Richtern bei den Verwaltungsgerichten und
durch Rückführung der Flüchtlinge nach Abschluss des Verfahrens.
Solange die Aufentahltsdauer deutlich über der gesetzlichen Fiktion liegt, muss die Landesregierung förmlich anerkennen, dass die gesetzlich festgelegte Größe der Flüchtlingsunterkünfte von 7 qm pro Person unterschritten werden kann.
 
Bezüglich der Anschlussunterbringung begrüßt der Vorstand die Zusage der Landesregierung, die für den Bau von Flüchtlingsunterkünften zugesagte Förderung zu beschleunigen und die für 2016 vorgesehene zweite Rate auf 2015 vorzuziehen.
 
Dies kann jedoch nur eine Soforthilfe sein.
 
Insbesondere für Gebiete mit angespann ter Wohnraumsituation ist es dringend erforderlich, die Förderung für den Bau von Flüchtlingsunterkünften und den allgemeinen sozialen Wohnungsbau zu verknüpfen. Auf Dauer ist es gesellschaftlich nicht hinnehmbar und wird die Stimmung belasten, wenn Flüchtlinge neue Wohnungen zugewiesen bekommen und die angestammte Bevölkerung keine Chance auf eine angemessene Sozialwohnung erhält.
 
 
 
 
Der Vorstand des Städtetags fordert daher
 
Die Förderung von sozialem Wohnungsbau und Flüchtliungsbauten zu verknüpfen
Dafür deutlich mehr Mittel zur Verfügung zu stellen und
Die Höhe der Förderung sowohl an der Anzahl der Flüchtlinge als auch an der allgemeinen Wohnraumsituation (z.B. Gebietsabgrenzung wie bei der Mietpreisbremse) zu bemessen
Durch das Institut der mittelbaren Belegung sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht nur in den neuen Gebäuden untergebracht werden müssen.
 
Der Städtetag wird diesbezüglich der Landesregierung Vorschläge unterbreiten und dabei mit dem Verband der Wohnungswirtschaft und der Architektenkammer zusammenarbeiten.
 
gez.
Gudrun Heute-Bluhm
Oberbürgermeisterin a. D.
  
 



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