Stuttgart.
Der Städtetag Baden-
Württemberg und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sehen die
derzeit vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) geplante
Novellierung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) kritisch
und lehnen zentrale Änderungsvorhaben entschieden ab.
Am 1. Oktober 2013 hat das Landeskabinett Eckpunkte für eine Änderung
der Förderpraxis nach dem LGVFG ab dem 1. Januar 2014 auf den Weg
gebracht: Während das Fördervolumen gleich bleiben soll, sollen neue
Fördertatbestände geschaffen und zugleich die Förderquote
abgesenkt werden. Das LGVFG stellt einen wichtigen Baustein zur Finanzierung
von Verkehrsprojekten in Baden-Württemberg dar und sichert wichtige
Investitionen in den kommunalen Straßenbau und den ÖPNV.
"Bei einer geplanten Absenkung der Förderquote von 75 auf 50 Prozent
verdoppelt sich der kommunale Eigenanteil an den jeweiligen Vorhaben.
Insbesondere bei größeren, verkehrlich wichtigen und sinnvollen
Projekten wird dies häufig die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Kommunen übersteigen und damit das Aus für die Projekte
bedeuten", betont Prof. Stefan Gläser, Geschäftsführendes
Vorstandsmitglied des Städtetags. Statt zu einer gerechteren Verteilung
der Fördermittel wird daher die Absenkung der Förderquote seiner
Einschätzung nach den Investitions- und Modernisierungsstau bei den
Kommunen noch verstärken. "Mit der Änderung der
Förderpraxis hin zu einer reinen Festbetragsfinanzierung verlagert das
Land zudem sämtliche finanzielle Risiken, die mit der Realisierung von
Verkehrsprojekten einhergehen, auf die Kommunen! Nachträglich entstandene
Risiken und Kostensteigerungen sollen künftig nämlich nicht mehr
geltend gemacht werden können", kritisiert Gläser und
ergänzt: Diese Änderungen können und werden wir nicht
akzeptieren!
Die Ausweitung der Fördertatbestände wird von beiden Verbänden
grundsätzlich begrüßt. "Allerdings" so
kritisiert Wolfgang Arnold, Vorsitzender der VDV-Landes-gruppe
Baden-Württemberg "erfordert die Ausweitung der
förderfähigen Maßnahmen auch eine bessere finanzielle
Ausstattung der ÖPNV-Förderung in Baden-Württemberg. Mehr und
qualifiziertere Angebote im ÖPNV bekommt das Land eben nicht zum
Nulltarif! Eine aktuelle finanzielle Herausforderung ist der
barrierefreie Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur. Dazu sind Verkehrsunternehmen
und Kommunen mit einer Frist (01.01.2022) gesetzlich verpflichtet. Arnold:
Es ist auch zu hinterfragen, weshalb mittelgroße
ÖPNV-Infrastrukturprojekte mit hoher verkehrlicher Wirkung zugunsten von
Kleinmaßnahmen ebenfalls nur noch zwei Drittel der bisherigen
Landesförderung bekommen sollen. Als Folge der Novelle werden eine ganze
Reihe von ÖPNV-Projekten, unter anderem in den Regionen Stuttgart,
Mannheim/Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg, in Frage gestellt. Auch die
Finanzierung von Verkehrsprojekten mit einem Investitionsvolumen von mehr als
50 Mio. Euro, die der Bundesförderung unterliegen, bereitet Arnold Sorgen:
"Wie es mit der Bundesförderung nach 2019 weitergehen wird, ist noch
nicht entschieden. Die beabsichtigte Absenkung der Förderquoten beim
Landes-GVFG wäre ein fatales Signal an den Bund, dass es bei der
Infrastrukturförderung finanzielle Spielräume zulasten von
Verkehrsunternehmen und Kommunen gibt."
Hintergrundinformationen:
Das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) greift für kommunale
Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen bis 50 Mio. EUR im Straßenbau und
ÖPNV. ÖPNV-Maßnahmen werden nach dem LGVFG bislang mit bis zu
75 % der zuwendungsfähigen Kosten vom Land gefördert,
Straßenbauvorhaben mit bis zu 70 %. Für große Maßnahmen
über 50 Mio. EUR Investitionssumme kommt das Förderprogramm des
Bundes-GVFG zur Anwendung, in dem eine Förderquote von 60 %
festgeschrieben ist, die dann um 20 % vom Land auf insgesamt 80 % ergänzt
wird.
Mit den am 1. Oktober 2013 vom Landeskabinett auf den Weg gebrachten Eckpunkten
für eine LGVFG-Novelle beabsichtigt die Landesregierung, das
Gesamtinvestitionsvolumen im Bereich der kommunalen
Verkehrsinfrastrukturvorhaben zu vergrößern und die
Fördermittel besser zu verteilen. Dies soll durch die generelle Absenkung
der Förderquote auf 50 % und die Umstellung auf eine reine
Festbetragsfinanzierung erreicht werden. Dabei stellt das Land nach den
bisherigen Informationen keine eigenen Mittel zur Verfügung; d.h. der
Zuwachs beim Investitionsvolumen soll nach den Planungen des Landes allein aus
kommunalen Mitteln geleistet werden.
Dabei bedeutet die Absenkung der Förderquote von 75 % auf 50 % eine
Verdopplung des kommunalen Eigenanteils; insbesondere große, verkehrlich
wichtige Vorhaben werden unter diesen Umständen schlechte
Realisierungschancen haben. Bei der Festbetragsfinanzierung soll im
Antragsverfahren ein maximaler Festbetrag für die Förderung
festgelegt werden. Nachträgliche Änderungen, die beispielsweise durch
die Erhöhung der Baukosten oder unerwartete Risiken zustande kommen,
sollen nicht mehr vorgenommen werden können; entsprechende
Kostensteigerungen müssten in diesem Falle komplett von den Kommunen und
Unternehmen getragen werden.
Gleichzeitig schlägt die Landesregierung eine Erweiterung der
Fördertatbestände vor. Neu hinzugekommen sind beispielsweise der
Radwegebau, Lärmschutz oder Kleinmaßnahmen wie die Förderung
von Bürgerbussen. Bei vergangenen Einschnitten im LGVFG wurden
Fördertatbestände reduziert anstatt erweitert, z. B. die
Förderung zur Beschaffung von Stadtbahnfahrzeugen.
Beispiel Barrierefreiheit:
Nach dem seit 1. Januar 2013 gültigen neuen
Personenbeförderungsgesetz (PBefG) muss der öffentliche Nahverkehr in
Deutschland bis 1. Januar 2022 vollständig barrierefrei
ausgebaut werden. Dies hat zur Folge, dass in mehreren Stadt- und
Straßenbahnsystemen im Land (u.a. Mannheim/Heidelberg, Karlsruhe)
Haltestellen baulich verändert werden müssen. Dazu sind hohe
zweistellige Millionensummen für die Investitionen erforderlich. Bei einer
Absenkung der Förderquoten des Landes auf künftig nun mehr 50%
verdoppelt sich der kommunale Anteil an diesen gesetzlich vorgeschriebenen
Umbaumaßnahmen.
Kontakte:
Städtetag Baden-Württemberg: Jan Gutjahr, Königstraße 2,
70173 Stuttgart,
Tel.: 0711/22921-28, E-Mail:
jan.gutjahr@staedtetag-bw.de
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen: Ulrich Weber, Geschäftsführer
der VDV-Landesgruppe, Schockenriedstraße 50, 70656 Stuttgart, Tel.:
0711/7885-6044,
E-Mail:
weber@vdv.de
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