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P 176/2013 Az.: 058.20 / Neues Personalvertretungsrecht lähmt die Verwaltung und kostet die Kommunen mindestens 300 Stellen (06.11.2013)

Pressemitteilung
 

Neues Personalvertretungsrecht lähmt die Verwaltung und kostet die Kommunen mindestens 300 Stellen
           
 
 
Stuttgart. Städtetag, Landkreistag, Gemeindetag und K ommunaler Arbeitgeberverband lehnen das Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes, welches am 7. November 2013 zur ersten Beratung in den Landtag eingebracht wird, weitgehend ab. Das Gesetz führt zu einer Verdoppelung der Freistellungen für die Personalräte sowie zu mehr und schwierigeren Beteiligungsverfahren. Die Kommunalverwaltungen werden damit ausgebremst und mit hohen Kosten belastet.
 
„Allein durch die Ausdehnung der Freistellungen für Personalratsmitglieder rechnen wir mit 300 Stellen, die in den Städten, Gemeinden und Landkreisen für andere wichtige Aufgaben wie der Kinderbetreuung oder im Bereich der kommunalen Ordnungsdienste nicht mehr zur Verfügung stehen“, so Prof. Stefan Gläser, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg. „Alternativ müssten jährlich rund 16 Millionen Euro in die Hand genommen werden, um 300 zusätzliche Stellen für freigestellte Personalratsmitglieder zu schaffen“, so Gläser weiter. Mit dem Personalvertretungsrecht die Attraktivität des öffentlichen Dienstes steigern zu wollen und gleichzeitig bei den Beamten zu sparen, passe nicht zusammen.
 
„Das ist ein Gesetz zur Freude einiger Funktionäre. Die Beschäftigten haben nichts davon; sie müssen die Arbeit der zusätzlich freigestellten Personen mit erledigen“, sagte Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. „Eine Novellierung des Personalvertretungsrechts sollte den Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten reduzieren. Hierzu haben wir Vorschläge gemacht“, so Kehle weiter.
 
In den Kommunalverwaltungen ist das Verhältnis zwischen Dienststellenleitern und Personalräten in der Regel konstruktiv und kollegial. Bürokratie und Formalien werden klein gehalten, berichten die Verbände. „Wo diese positiven Verhältnisse nicht gegeben sind, muss das Personalvertretungsgesetz Regeln für den Konfliktfall enthalten, die eine effiziente Verwaltung sicherstellen. Die Änderung wird das Gegenteil bewirken: mehr Bürokratie und hohe Kosten“, sagte Prof. Eberhard Trumpp, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg.
 
„Die Erweiterung von Beteiligungstatbeständen und die Vergrößerung von Gremien führt auch nicht automatisch zu einer verbesserten Wahrnehmung von Beschäftigteninteressen, sondern in erster Linie zu einer verstärkten Beschäftigung der Verwaltungen mit sich selbst“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands Baden-Württemberg, Dr. Joachim Wollensak. „Hierfür hat die Bevölkerung kein Verständnis“, so Wollensak weiter.
 
 
Hintergrund
 
Städtetag, Landkreistag, Gemeindetag und Kommunaler Arbeitgeberverband vertreten etwa 1.500 Dienststellen mit rund 200.000 Beschäftigten. Die Verbände haben im Vorfeld Vorschläge für ein schlankes, zeitgemäßes und rechtssicheres Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst gemacht. Angesichts den von der Landesregierung immer wieder vorgetragenen Einsparerfordernissen ist nicht nachvollziehbar, warum das Land diese Vorschläge nicht aufgegriffen hat. Denn Anlass zu einer umfassenden Novelle gäbe eine für alle Anwender des Landespersonalvertretungsrechts wünschenswerte Rechtsvereinfachung. Stattdessen wird das geltende Recht weiter verkompliziert. Durch zusätzliche Beteiligungsverfahren, Erschwernisse, Gremien und Freistellungen wird das vom Land postulierte Ziel des Bürokratieabbaus konterkariert. Damit wird das Gesetz den Erfordernissen der Kommunalverwaltungen nicht gerecht. Diese sind zur Erfüllung ihrer sich dynamisch entwickelnden Aufgaben auf schnelle und unbürokratische Entscheidungsabläufe angewiesen, um ihre Funktion als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen zu können.
 
Neben den Freistellungen führt auch der bürokratische Mehraufwand zu Kosten. Insgesamt ist für die Kommunen mit einer Mehrbelastung von rund 30 Millionen Euro zu rechnen. Da ausschließlich das Land die Freistellungen ausdehnen, die Gremien vergrößern und die Zahl der Verfahren erhöhen möchte, fordern die kommunalen Verbände, dass das Land den Kommunen die Mehrkosten erstattet („Wer bestellt, bezahlt“). Daneben wird die Reform auch für das Land selbst teuer. In einer Landtagsdrucksache rechnet z. B. das Kultusministerium mit 200 Deputaten, die dann nicht mehr für den Unterricht zur Verfügung stünden oder mit entsprechenden Mehrkosten neu geschaffen werden müssten. Gleichzeitig suchen Land und Kommunen noch Wege zur Finanzierung der Ganztagesschulen.
 
Um bürokratischen Mehraufwand und zusätzliche Kosten zu begrenzen, fordern Städtetag, Landkreistag, Gemeindetag und Kommunaler Arbeitgeberverband einen einfachen und rechtssicheren Beschäftigtenbegriff. Als Beschäftigte sollten Personen gelten, die länger als drei Monate weisungsabhängig beschäftigt und in den Dienststellenbetrieb eingegliedert sind. Weiterhin ist eine Verdoppelung der Freistellungen überzogen. Daneben sollte der Personalvertretung kein uneingeschränktes Initiativrecht zukommen. Dies birgt ein hohes Potenzial an Selbstbeschäftigung der Verwaltung und untergräbt die Stellung der vom Volk gewählten Gremien und Personen auf kommunaler Ebene. Auf die Schaffung von Wirtschaftsausschüssen sollte verzichtet werden. Diese sind unnötig, da die wirtschaftliche Lage der Kommunen bereits bei den Haushaltsberatungen in breiter Öffentlichkeit erläutert und diskutiert wird. Stattdessen sollten die bis 1996 geltenden Beteiligungsfristen von zehn Arbeitstagen wiederhergestellt werden, um Organisations- und Personalentscheidungen zu beschleunigen. Weiterhin sollten die Personalräte von Routineaufgaben entlastet werden, damit sie die Interessen der Beschäftigten bei wesentlichen Maßnahmen angemessen vertreten können.


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