P 537/2025 Az.: 047.43; 90 / Städtetagsp Dr. Frank Mentrup: "Ein finanzieller Kraftakt ist notwendig, sonst droht der kommunale Stillstand" (02.04.2025)
PRESSEINFORMATION | Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Bearbeiter Timo Jung E timo.jung@staedtetag-bw.de T 0711 22921-28 F 0711 22921-42 Az 90 · Ju 02.04.2025
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Ein finanzieller Kraftakt ist notwendig – sonst droht der kommunale Stillstand Stuttgart. Der Städtetag fordert die vollständige Weiterleitung der Infrastruktur-Milliarden an Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg – neue Zahlen belegen die dramatische Finanzlage. Mit der geänderten Schuldenbremse und dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen haben Bundestag und Bundesrat einen historischen Schritt für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz getan. Aus dem Sondervermögen fließen unter anderem 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds sowie 100 Milliarden Euro direkt an die Länder – anteilig auch für kommunale Infrastruktur. „Das ist eine einmalige Chance“, betont Dr. Frank Mentrup, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg. „Aber sie wird nur Wirkung entfalten, wenn die Mittel direkt und vollständig bei den Städten und Gemeinden ankommen – dort, wo die Investitionen tatsächlich umgesetzt werden.“ Nach dem Königsteiner Schlüssel stehen Baden-Württemberg rund 13 Milliarden Euro zur Verfügung – verteilt auf zwölf Jahre sind das etwa 1,1 Milliarden Euro jährlich. „Diese Summe darf nicht in landeseigenen Strukturen oder Förderprogrammen versickern.“ Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts vom 1. April zeigen die dramatische Lage der kommunalen Haushalte: Im Jahr 2024 verzeichneten die Gemeinden und Gemeindeverbände ein Rekorddefizit von 24,8 Milliarden Euro – das höchste seit 1990. Die Ausgaben stiegen um 12,6 Prozent, während die Einnahmen nur um 7,6 Prozent zulegten. Besonders belastend: Die kommunalen Sozialausgaben stiegen um 11,7 Prozent, auch wegen höherer Regelsätze beim Bürgergeld und gestiegener Anspruchszahlen. „Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht immer weiter auseinander – und das nicht aus eigenem Verschulden, sondern, weil Bund und Länder ständig neue Aufgaben auf die Kommunen abwälzen, ohne sie zu finanzieren“, so Mentrup. Das Land Baden-Württemberg beruft sich regelmäßig darauf, dass es 23 Prozent der Gemeinschaftssteuern an die Kommunen weitergibt. Was dabei oft verschwiegen wird: Von diesen Mitteln wird bereits im Vorfeld ein erheblicher Teil wieder abgezogen. Hinzu kommt, dass Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren im Bundesvergleich überdurchschnittlich viele Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen hat – oft ohne vollständigen finanziellen Ausgleich. Dazu erklärt Mentrup. „Die Kommunen sind inzwischen systematisch überlastet – finanziell wie organisatorisch. Wer immer mehr Aufgaben delegiert, muss auch endlich die nötigen Mittel bereitstellen.“ Damit die neuen Infrastrukturmittel wirksam werden, schlägt der Städtetag – in Anlehnung an das Konjunkturprogramm 2009 – ein unbürokratisches Modell vor: Kommunen sollen feste Budgets erhalten, die sie für investive Maßnahmen verwenden können. Die konkreten Einsatzbereiche werden in einer Positivliste definiert – also einem Katalog von Maßnahmen, die förderfähig sind. Eine Einzelfallprüfung entfällt, die Zweckbindung bleibt erhalten. „Wir brauchen einen klaren und schnellen Weg zur Umsetzung und keinen Förderdschungel mit Stolperfallen“, betont Mentrup. „Mit einer Positivliste können wir direkt durchstarten: mit Investitionen in Bildungseinrichtungen, den kommunalen Gebäudebestand und die öffentliche Daseinsvorsorge.“ Die weiteren 100 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds sollen laut aktueller Planung über Förderprogramme vergeben werden. Der Städtetag warnt davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. „Wenn wir wirklich eine klimaneutrale Infrastruktur wollen, müssen auch diese Mittel dort ankommen, wo Wärmenetze geplant, Wasserleitungen saniert oder Verteilnetze modernisiert werden: in den Kommunen. Auch hier braucht es Budgetzuweisungen auf Basis einer Positivliste – nicht komplizierte Förderlogik mit Eigenanteilsforderungen, die viele Städte derzeit gar nicht stemmen können.“ Abschließend ruft der Städtetag das Land dazu auf, auch die neu eröffnete Möglichkeit zur strukturellen Neuverschuldung – bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – zu nutzen, um eigene Investitionen zugunsten der kommunalen Ebene zu stärken. „Die Kommunen sind der Ort, an dem diese Milliarden tatsächlich Wirkung entfalten können“, so Mentrup. „Wenn wir nicht jetzt investieren, bauen wir einen Berg an Rückständen auf, der uns bald wirtschaftlich, sozial und ökologisch auf die Füße fällt.“
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