P 513/2024 Az.: 047.43 / Reichlich Fiktion in der Baurechtsnovelle - Gemeinsame Presseinfo STBW und AKBW (23.07.2024)
Gemeinsame Presseinformation des Städtetags Baden-Württemberg
und der Architektenkammer Baden-Württemberg
Reichlich Fiktion in der Baurechtsnovelle
Stuttgart. Das Kabinett hat am heutigen Dienstag den Entwurf eines
„Gesetzes für das schnellere
Bauen“ beschlossen. Land, Städte und Architekten
eint das gemeinsame Ziel: Bauen soll schneller werden. „Der
Entwurf hält nicht, was er in seiner Überschrift
verspricht“, urteilen der Städtetag
Baden-Württemberg und die Architektenkammer
Baden-Württemberg. Bereits im Vorfeld hatten sie die
Befürchtung geäußert,
„dass die Maßnahmen nicht die ganze
Realität des Planungs- und Genehmigungsalltages abbilden und
Gefahr laufen, das Ziel zu verfehlen“. In Teilen sei dies nun
eingetreten.
Konkret: Künftig sollen die meisten Bauanträge mit
einer Entscheidungsfrist von einem Monat als genehmigt gelten - auch dann, wenn
das Bauamt keine Entscheidung getroffen hat. „Diese
sogenannte Genehmigungsfiktion versucht Symptome langer Antragsverfahren zu
beheben, beseitigt aber nicht die eigentlichen Ursachen“, so
Ralf Broß, Geschäftsführendes
Vorstandsmitglied des Städtetags, und Hans Dieterle,
Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer. Die
Beschleunigung sei nur eine scheinbare, wenn Bauvorhaben während
der Bauausführung gestoppt werden müssen, weil
dagegen geklagt werde. Wirkungsvoller wäre, die Ursachen
für lange Verfahren in den Blick zu nehmen und das gesetzlich
definierte Prüfprogramm kritisch zu hinterfragen, so die Vertreter
der beiden Verbände.
In einem „fast lane“-Verfahren etwa
würde die Behörde nur die zentralen Anforderungen an
die Gebäudesicherheit überprüfen und der
Bauherr die Verantwortung dort übernehmen, wo er ohne
größeren wirtschaftlichen Schaden nachbessern kann.
Das „vereinfachte Genehmigungsverfahren“
erfülle diese Anforderungen aus Sicht von Städtetag
und Architektenkammer nicht.
Bei einer umfassend geltenden Genehmigungsfiktion könnten sich die
Bauämter in vielen Fällen nicht mehr mit der
konstruktiven Lösung von Problemen befassen,
befürchten Broß und Dieterle, weil sie zeitlich durch
die Prüfung der Vollständigkeit und der
Ermessensausübung bei der Rücknahme von eingetretenen
Fiktionen gebunden seien. „Das hilft im Ergebnis niemanden,
sondern verschärft die bestehenden
Personalengpässe“, so Broß.
Auch die in der Novelle der Landesbauordnung vorgesehenen Anforderungen an die
Qualifikation der in den Bauämtern Beschäftigten sind
aus Sicht von Städtetag und AKBW nicht zielführend.
Ab 2033 müssen demnach alle Bauämter einen Beamten
des höheren Verwaltungsdienstes, zum Beispiel einen Volljuristen,
und einen Beamten des höheren technischen Dienstes, etwa einen
Regierungsbaumeister, einstellen.
„Wir sehen schon heute, dass es dieses
zusätzliche Personal auch in neun Jahren nicht geben
wird“, betont Ralf Broß, „den
Fachkräftemangel löst man nicht, indem man
Fachkräfte per Gesetz verordnet.“ Sinnvoll
wäre es, das Verfahren stattdessen so zu gestalten, dass
Bauanträge vom bestehenden Personal gut und zügig
bearbeitet werden können. Unvollständige oder
fehlerhafte Anträge binden Personal und Zeit. Um das zu vermeiden,
solle das Einreichen von Bauanträge auch zukünftig
Expertinnen und Experten vorbehalten sein.
Städtetag und Architektenkammer sehen Änderungsbedarf
– und haben erste
Lösungsvorschläge: „Es ist
illusionär, Beschleunigungen zu versprechen, wenn die
Verknüpfung zum sogenannten Baunebenrecht nicht hergestellt
wird“, so Hans Dieterle für die AKBW.
„Eine Beschleunigung der Verfahren kann nur erreicht werden,
wenn den Mitarbeitenden in den Baurechtsbehörden der
Prüfkanon im Baugenehmigungsverfahren unzweideutig klar ist und
sie nicht zwischen Landesbaurecht, den Regelungen aus dem Bundesrecht sowie gut
100 Vorschriften aus dem sogenannten Baunebenrecht herumlavieren
müssen.“
Wenn überhaupt sollte die Genehmigungsfiktion, also die
gesetzliche Regelung, bei der nach einer Entscheidungsfrist von einem Monat ein
Antrag automatisch genehmigt wird, in einem ersten Schritt nur
für den Wohnungsbau eingeführt werden. Begleitend
sollte es einen strukturierten Austausch zwischen der kommunalen Praxis und den
Planern geben, in dem Schwierigkeiten und Herausforderungen bewertet werden.
Erst auf der Grundlage dieser fachlichen Einschätzung sollte
politisch über eine Ausweitung entschieden werden.
„Anstatt nicht vorhandene Fachkräften zu
verordnen, brauchen wir einen Austausch dazu, wo in der Praxis der Schuh
drückt und wie die Herausforderungen trotz
Fachkräftemangel gelöst werden
können“, sagt Ralf Broß
für den Städtetag. Die Einreichung von
Bauanträgen ohne Expertenwissen müsse auch
zukünftig eng begrenzt bleiben.
Nun komme es darauf an, den Entwurf gut weiterzuentwickeln, denn einzelne gute
Aspekte seien enthalten. So begrüßen
Städtetag und AKBW etwa, dass Nutzungsänderungen, um
Wohnraum im Innenbereich zu schaffen, zukünftig
grundsätzlich verfahrensfrei sein sollen oder Unklarheiten der
letzten LBO-Änderung korrigiert werden.
Kontakte
Städtetag Baden-Württemberg
Christiane Conzen
Referentin Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon 0711 22921-48
E-Mail: christiane.conzen@staedtetag-bw.de
Architektenkammer Baden-Württemberg
Gabriele Renz
Pressesprecherin
Telefon 0711 2196-126
E-Mail: gabriele.renz@akbw.de
Dokumente:
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