Sprungziele
Inhalt
Datum: 08.04.2021

P 388/2021 Az.: 047.43 / Aufnahme der Koalitionsverhandlungen (08.04.2021)


 

PRESSEINFORMATION Geschäftsführendes  
Vorstandsmitglied

Bearbeiterin
Christiane Conzen
 
E christiane.conzen@staedtetag-bw.de
T 0711 22921-48
F 0711 22921-42
 
Az 047.43 - P 388/2021 · Co/Kl
 

08.04.2021

 

Aufnahme der Koalitionsverhandlungen

 
Stuttgart.  Die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen zwischen Bündnis90/Die Grünen und der CDU nimmt der Städtetag Baden-Württemberg zum Anlass für eine erste Bewertung des Sondierungsergebnisses. Er unterstützt die Zielsetzung von Grün-Schwarz für die künftige Landesregierung mit den ausdrücklichen Schwerpunkten Klimaschutz, Gestaltung der wirtschaftlichen Transformation durch Innovation, Dekarbonisierung und Digitalisierung sowie Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Diese Ziele decken sich in der Grundrichtung mit den Forderungen des Städtetags zur Landtagswahl 2021.
 

Der Städtetag sieht die Schwerpunkte der Arbeit der künftigen Koalition in Bezug auf seine Themen in der

•   Neuausrichtung der kommunalen Schulträgerschaft und der Sicherung der Qualität in der frühkindlichen Bildung,

•   gemeinsamen Ausformulierung der kommunalen Klimaschutz- und Verkehrspolitik,

•   Fortführung und Vertiefung unserer Anstrengungen zur Digitalisierung unseres Landes sowie

•   Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch besondere Anstrengungen im Bereich Integration, Kultur, Sport und in einer inklusiven Quartiersentwicklung.

Dabei setzt er darauf, dass die neue Landesregierung in partnerschaftlichem Zusammenhang die finanziellen Grundlagen der Kommunen wie bisher sichert und wichtige Schwerpunkte durch gemeinsame Festlegung der Ausrichtung des kommunalen Finanzausgleichs sichert.

Das „Klimaschutzland Baden-Württemberg“ muss jetzt alle gesellschaftlichen Kräfte bündeln. Der Städtetag ist bereit, die Überzeugungskraft der kommunalen Praxis einzubringen, um die notwendige Überparteilichkeit sicherzustellen.

„Die neue Regierung steht vor der historisch einmaligen Herausforderung, nach der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg einen Umbau zu einer nachhaltigen Volkswirtschaft und Infrastruktur sozialverträglich zu organisieren. Sie hat dabei eine ebenso einmalige Chance, dies durch eine absehbare sehr langfristige Niedrigzinsphase finanzpolitisch bewältigen zu können. Der finanzpolitische Ansatz des Sondierungspapiers „One in - One out“ birgt aber bei strenger Umsetzung die Gefahr jahrelanger Selbstbeschäftigung und Stillstand für eine Regierung, die den beschriebenen Umbau tatkräftig angehen muss“, meint Städtetagspräsident Dr. Peter Kurz zu Beginn der Koalitionsverhandlungen.

Der Städtetag bietet an, gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen Schwerpunkte zu setzen und zu priorisieren. Es gilt, Förderprogramme zu entschlacken und mit den ordnungspolitischen Vorgaben eng zu verzahnen. Mehr Klimaschutz bedeutet nicht automatisch mehr Geld und hohe Bildungsstandards sind nicht immer mit höheren Ausgaben verbunden.
Die konjunkturell und strukturell durch die Pandemie bedingten Mindereinnahmen und Mehrbedarfe bei den Kommunen müssen auch 2021 noch einmal abgefedert werden. In beiden Fällen bestehen Perspektiven für eine Erholung Ende 2022. Eine Überbrückung ist damit die richtige Strategie. Sie stabilisiert die auch für die Ziele der Regierung erforderliche Investitionskraft der Kommunen. Der Verweis auf die vermeintliche Überkompensation durch den Corona-Rettungs-schirm 2020 geht fehl, da die Gewerbesteuermindereinnahmen systembedingt erst in 2021 anfallen werden und der lange Winter-Lockdown mit seinen schweren Schäden für Handel und Gastronomie dabei noch nicht eingepreist ist.
 
Augenhöhe erwartet der Städtetag jedoch nicht nur bei den bald anstehenden Finanzverhandlungen mit der neuen Regierung. Gerade weil es nicht darum gehen kann, immer wieder neue Ausgaben draufzusatteln, sind die priorisierten Aufgaben gemeinsam mit der kommunalen Praxis anzugehen.
 
Für den gemeinsamen Schwerpunkt Klimaschutz bedeutet es am Beispiel der Wärmewende, dass die Potenziale und die finanziellen Grundlagen für die Umsetzung der jetzt erstellten Wärmepläne gemeinsam mit dem Verband Kommunaler Unternehmen und den Kommunalen Landesverbänden erarbeitet werden müssen. Für die Umsetzung sind die Bundesförderprogramme auszuwerten und auf dieser Grundlage die mögliche Nutzerfinanzierung zu berechnen. Zugleich ist die vorgesehene Überarbeitung des EWärmeG ebenso in ihren Auswirkungen zu berücksichtigen wie die Klimaschutz-gesetzgebung des Bundes. Durch geschickte Kombination von finanziellen Anreizen und ordnungspolitischen Vorgaben lässt sich der zusätzliche Aufwand für den Steuerzahler minimieren. „Das geht jedoch nur gemeinsam mit der Praxis und nicht als Ansage von oben“, meint Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags und langjährige Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach.
Der Städtetag zeigt sich offen für eine Festschreibung des Klimaschutzes als kommunale Pflichtaufgabe. Damit können finanzielle Schwerpunkte in kommunalen Haushalten gesetzt und priorisiert werden. Es darf freilich nicht zu einer Verschiebung der finanziellen Verantwortung führen.
Auch das Kommunalabgabengesetz soll klimaschutzorientiert umgestaltet werden und klimagerechtes Verhalten „belohnen“. Die vorgesehene Einführung einer Mobilitätsabgabe sehen wir grundsätzlich positiv, wenn sie dazu dient, zusätzliches Potenzial für den ÖPNV zu erschließen.
 
Über die Ausgestaltung und Neudefinition der Schulträgerschaft im 21. Jahrhundert will der Städtetag die bereits laufenden Gespräche mit dem Kultusministerium unter neuer politischer Führung fortsetzen. Es geht dabei um eine praxisorientierte und effektive Aufgabenverteilung im Bereich der Digitalisierung ebenso wie um die Sicherung des Qualitätsanspruchs bei der kommunal organisierten Ganztagesbetreuung. Schulleitungen können bei den Verwaltungsaufgaben durch eine kommunale Verwaltungsleitung oder -unterstützung entlastet werden, wenn hierfür im Gesamtpaket dieser Themen ein finanzieller Ausgleich gefunden wird.
 
Als sehr innovativen Ansatz begrüßt der Städtetag die geplante sozialindexbasierte Ressourcenzuweisung: mehr pädagogische Kraft an schwierigen Schulstandorten kann ein weiterer wichtiger Baustein für mehr Bildungsgerechtigkeit sein neben dem Ausbau des rhythmisierten Ganztagesunterrichts. Auch multiprofessionelle Teams in Grundschulen können die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in der Grundschule besser berücksichtigen.
 
Drängender noch ist aus Sicht des Städtetags diese Frage für die Gewinnung von dringend benötigten Kräften in den Kitas. Auch hier sind die begonnenen Gespräche mit möglicher Finanzierung durch Bundesprogramme schnell zum Ergebnis zu führen.
 
Die Digitalisierung wird auch die neue Legislaturperiode bestimmen. Die im Sondierungspapier vorgesehene Ergänzung der bereits zugesagten Bundesmittel für die Breitbandversorgung ist dringend, um eben diese Mittel vor dem drohenden Verfall zu retten!
Die Digitalisierung der Verwaltung ist das Zukunftsthema. Sie erfordert einen fortschreitenden Kulturwandel. Die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes kann Baden-Württemberg mit dem sogenannten Universalprozess bald erfüllen. Die dringend erforderliche Verschlankung mancher Genehmigungsprozesse setzt auf einen digitalen Workflow und die grundlegende Überarbeitung der Abläufe mit Blick auf digitale Möglichkeiten. Kooperative Arbeitsformen haben sich dabei bewährt, setzen aber voraus, dass die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter in den Rathäusern mitgenommen, motiviert und eingebunden werden. Hierfür ist die schon bisher vom Innenministerium zielorientiert geförderte und im grünen Wahlprogramm explizit erwähnte Digitalakademie mit dem bundesweit beachteten Modell der kommunalen Digitallotsen der richtige Weg.
 
Auch sonst setzt der Städtetag darauf, dass die von den künftigen Koalitionspartnern parallel in beiden Wahlprogrammen gesetzten Schwerpunkte auch dort unstreitig sind, wo sie im Sondierungspapier nicht erwähnt sind.

 
 

 

 

 


Dokumente: