Städtetag Baden-Württemberg
 
 
 
 
Forderungskatalog des Städtetags Baden-Württemberg
zu Ganztagsschulen und Schulbetreuung
vom 10. Dezember 2015
   
1. Regelungen für Ganztagsgrundschulen verbessern

Die gesetzliche Verankerung der Ganztagsgrundschule 2014 stellt – nach einer beinahe 50-jährigen Schulversuchsphase – einen großen Meilenstein in der Schulpolitik des Landes dar, den der Städtetag würdigt. Erste Praxiserfahrungen mit dem neuen Recht zeigen allerdings, dass es dringend optimiert werden muss, um die gewünschten Effekte zu erzielen und für ausgewogene Schulangebote vor Ort, auch mit Blick auf die heterogene Bedürfnislage der Elternschaft, zu sorgen.

Eine Arbeitsgruppe des Städtetags, bestehend aus kommunalen Schulexpertinnen und -experten, entwickelte die beiliegenden Verbesserungsvorschläge zu den Regelungen und Rahmenbedingungen für Ganztagsgrundschulen. Diese Vorschläge soll das Land aufgreifen.

2. Ganztagsschulgesetzgebung für weiterführende Schulen

Etwa 1000 Ganztagsschulen im weiterführenden Bereich und deren kommunale Träger arbeiten auch 2016 weiter aufgrund des unsicheren und unangemessenen rechtlichen Statusses eines Schulversuchs. Der Städtetag fordert deshalb, nach dem Vorbild der Grundschule auch für die anderen Schularten einen Ganztagsbetrieb als rechtliche Option in das Schulgesetz aufzunehmen und mit entsprechenden Ressourcen zu versehen. Die Gemeinschaftsschule ist seit ihrer Einführung 2012 als einzige Schulart qua Gesetz Ganztagsschule.

3. Anpassung der Landesförderung für Betreuung an Halbtagsschulen

Im Schuljahr 1990/91 sind 80 außerunterrichtliche Betreuungsgruppen an Grundschulen von Kommunen als „Kernzeitenbetreuung“ eingerichtet und seitens des Landes gefördert worden. Zum Schuljahr 2000/01 wurde diese zwischen­zeitlich stark angewachsene Betreuung zur „Verlässlichen Grundschule“ weiterentwickelt. Zum Schuljahr 2002/03 führte das Land die heutigen Regelungen zur Förderung flexibler Nachmittagsbetreuung und Ganztagschulbetreuung sowie von Horten an der Schule ein. Die zunächst nur bei gebundenen Hauptschulen gewährte Ganztagsschulbetreuungsförde­rung wurde 2006 auf alle Arten allgemein bildender gebundener und offener Ganztagsschulen erweitert.

Ingesamt dürfte es derzeit mehr als 5000 Betreuungsgruppen geben. Der Bedarf nach außerunterrichtlichen Betreuungsangeboten an Halbtagsschulen ist – trotz Jugendbegleiter- und Lehrbeauf­tragtenpro­gramm des Landes – weiter stark gegeben. Die vom Land schon lange angekündigte Überprüfung der sich an den Personalkosten orientierenden und seit 2000 (Verlässliche Grund­schule), 2002 (Flexible Nachmittagsbetreuung) bzw. 2002/2006 (Ganztagsschulbetreuung) unveränderten Fördersätze an die seitherige Personalkostenentwicklung ist überfällig und d aher umgehend vorzunehmen.

 

Anlage
 

Zu Abschnitt 1. Regelungen für Ganztagsgrundschulen verbessern
 
Forderungen bzw. Vereinfachungsanliegen des Städtetags gegenüber dem Land
 

 
1. An großen Grundschulen und an Grundschulen mit Außenstellen müssen unterschiedliche Zeitmodelle der Ganztagsschule parallel einrichtbar sein.
2. An großen Grundschulen und an Grundschulen mit Außenstellen müssen Parallel­angebote der Verlässlichen Grundschule bzw. der Nachmittagsbetreuung unter Beibehaltung der Landesförderung parallel einrichtbar sein.
3. Die vier Zeitmodelle der Ganztagsschule für Ganztagsangebote an drei oder vier Wochentagen (3 Tage x 7 oder 8 Zeitstunden bzw. 4 Tage x 7 oder 8 Zeitstunden) und sollen um zwei Zeitmodelle für fünf Wochentage (5 Tage x 7 oder 8 Zeitstunden) mit entsprechend erhöhter Lehrerzuweisung bzw. Monetarisierung ergänzt werden, da die Ganztagsschule mancherorts an fünf Wochentagen nachgefragt ist.
4. Betreuung vor und nach der Ganztagsschule sowie Schulferienbetreuung soll vom Land gefördert werden, da sie mit der Ganztagsschule korreliert.
5. Die Schulträgerzustimmung ist nicht nur bei erstmaliger Monetarisierung von Lehrerressourcen im Zuge der Beantragung einer Ganztagsgrundschule, sondern auch bei Folgemonetarisierungen für nachfolgende Schuljahre vorzusehen.
6. Die Monetarisierungssätze sind entsprechend den steigenden Personalkosten zu dynamisieren.
7. Anstelle der jetzigen Separatabrechnung für jeden Förderstrang sollen Ganztagsschul-Gesamtbudgets mit gegenseitig deckungsfähigen Mitteln (Monetarisierung, Mittagsbetreuung, Jugendbegleiter) eingerichtet werden können. Die Mittelverwendung soll daher, dem Budgetierungsgedanken aus § 48 Abs. 2 Schulgesetz folgend, flexibilisiert und vereinfacht werden. Dies führt zur erheblicher Einsparung von Verwal­tungsaufwand.
8. Die Ganztagsschulbudgets sollen wahlweise auf Schulkonten der Schulträger oder auf (von Schulträgern eingerichteten) Girokonten der Schulen geführt werden können.
9. Der Abrechnungsmodus für Monetarisierungsmittel ist grundlegend zu vereinfachen. Gegenwärtig sind aufgrund der Landesregelungen fünf Auszahlungstermine mit fünf Zwischenabrechnungen als Regelfall vorgesehen. Ferner finden aufwändige Beleg­prüfungen statt, die erhebliche Verwaltungsressourcen bei den Kommunen bzw. Schulen binden.
10. Bei Inklusion von Kindern mit Behinderung ist unter Beteiligung der Schulträger zu klären, welche besonderen Ressourcen für die Wahrnehmung des Ganztags­angebots erforderlich sind. Sofern diese Klärung in der Bildungswege­konferenz erfolgt, muss der betroffene Schulträger dabei vertreten sein.
11. Die pauschal anrechenbare Zeit für Mittagspausenaufsicht ist von einer auf zwei Stunden zu erhöhen, um den Belangen der meisten Ganztagsgrund­schulen gerecht zu werden. Eine einstündige Mittagspause wie derzeit vorgesehen ist allenfalls bei einem Einschichtbetrieb in der Mensa möglich. Mehrschichtbetriebe sind hingegen der Regelfall, mit Schichttakten, die über 30 Minuten hinausreichen.
12. Der Stundensatz für Mittagessenbetreuung soll von 15 EUR auf 25 EUR erhöht werden, da 15 EUR (inkl. Arbeitgeberaufwand) für die Gewinnung geeigneter Kräfte oft zu wenig sind. Geeignete Kräfte sind z. B. Betreuungskräfte mit durchgehenden Beschäftigungsverhältnissen und -zeiten, die von externen Kooperationspartnern im Rahmen der Ganztagsschule und/oder der Ganztagsbetreuung beschäftigt werden. Dieser Satz ist entsprechend den steigenden Personalkosten zu dynamisieren.
13. Für Vorbereitungsklassen im Ganztag sind zusätzliche Ressourcenzu­weisun­gen vorzusehen.
14. Schulbegleitungen für Inklusion müssen auch für den Ganztagsbetrieb gewährt werden, dürfen also nicht auf den Unterricht beschränkt bleiben.
15. Zusätzliche Kosten infolge zusätzlicher Schülerverkehre aufgrund von Ganztags­angeboten müssen in der Schülerbeförderungskostenerstattung des Landes berücksichtigt werden.
16. Angebote der Verlässlichen Grundschule und der Nachmittagsbetreuung sollen mit Landesförderung weiterhin uneingeschränkt eingerichtet werden können, sowohl an Halbtagsschulen als auch – siehe oben unter 1. – Ganztagsschulen.
17. Die seit dem Jahr 2000 unveränderte Förderung für Verlässliche Grundschule und Nachmittagsbetreuung ist an die seitherige Kostenentwicklung anzupassen.